Ad Astra

Der Film Ad Astra (USA 2019, Regie: James Gray) beginnt mit einem kurzen Audio-Abriss, den Major Roy McBride zu Protokoll gibt und der zur Beurteilung seiner momentanen psychologischen Eignung für den anstehenden Routine-Einsatz dient: „Ich bin ruhig, stabil, habe gut geschlafen, 8,2 Stunden, keine Alpträume. Ich bin startbereit, bereit, meinen Job so gut zu machen, wie ich kann. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche, und blende alles andere aus.“ Begleitet werden die Sätze mit Bildern seiner Frau, die gerade dabei ist, ihn zu verlassen. „Ich treffe nur pragmatische Entscheidungen. Ich erlaube es mir nicht, mich ablenken zu lassen. Ich erlaube es mir nicht, mich mit Dingen zu beschäftigen, die unwichtig sind. Ich werde mich auf nichts und Niemandem verlassen. Ich lasse mich nicht von Fehlern verunsichern.“ Die Tür schlägt hinter seiner Frau zu. Er schließt: „Ruhepuls ist bei 47.“

Am Ende des Films – nach einer Mission, die ihn auf der Suche nach seinem Vater und der Antwort auf eine große Frage der Menschheit bis an den Rand des Sonnensystems hinausgeführt hat – wiederholt er diese Sätze in abgewandelter Form: „Ich bin stabil, ruhig. Ich habe gut geschlafen, keine Alpträume. Ich bin aktiv und engagiert. Ich bin mir meiner Umgebung und den Menschen in meinem direkten Umfeld bewusst. Ich bin aufmerksam. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche und blende alles andere aus.“ Seine Frau erscheint, offenbar gewillt, es noch einmal mit ihm zu versuchen. „Ich bin unsicher wegen der Zukunft, aber ich mache mir keine Sorgen. Ich verlasse mich auf die, die mir am nächsten sind. Und ich werde ihre Last tragen, so wie sie meine tragen. Ich werde leben und lieben …“

In den fast zwei Stunden, die zwischen diesen beiden Sequenzen liegen, versucht der Film, die persönliche Entwicklung des Major Roy McBride vom eisenharten, pflichtbewussten, beinahe besessenen Astronauten hin zu einem Astronauten, der mehr ist als ein Technokrat, mit einer anderen, umfassenderen Geschichte zu verbinden, nämlich mit der Suche nach einer Antwort auf eine der großen Fragen der Menschheit: Gibt es außerirdisches Leben?

Hier kommt H. Clifford McBride, der Vater Roys, ins Spiel. Er ging den Weg des besessenen Astronauten, der für die Wissenschaft alles andere opfert, konsequent zu Ende. Vor 29 Jahren startete er mit der Lima Project ins äußere Sonnensystem, um dort, jenseits der Heliopause, „sämtliche Sternensysteme nach komplexen Lebensformen zu untersuchen“. Nach 16 Jahren ging der Kontakt verloren; niemand hörte mehr etwas von McBride Senior oder der Lima Project.

Jetzt erfährt McBride Junior, dass sein Vater noch lebt und dass sich die Lima Project in der Nähe des Planeten Neptun befindet. Vor allem aber, dass sein Vater keineswegs der Held ist, als den er ihn bisher immer gesehen hat. Als die Besatzung der Lima Project dem wissenschaftlichen Ziel der Mission nicht mehr folgen konnte oder wollte, sah sich McBride Senior gezwungen, gegen die „Meuterer“ vorzugehen und ihnen die Lebenserhaltung abzuschalten. Keiner überlebte.

Das wirft Roy McBride so sehr aus der Bahn, dass er seinen eigentlichen Auftrag – per Funk Kontakt mit seinem Vater aufzunehmen – in den Wind schlägt; eigenmächtig kapert er ein Raumschiff (auch dabei bleiben, wie bei seinem Vater, Tote zurück), um persönlich mit seinem Vater in Kontakt zu treten, herauszufinden, was er da draußen gefunden, was ihn möglicherweise gebrochen hat.

Es folgt eine Reise sowohl ins Innere, in die persönliche Finsternis, als auch ins Äußere, an die Grenzen des Sonnensystems und der Erkenntnis. Das hört sich nach großem Kino an. Was der Film auch sein will. Und so beginnt er sogar: Optisch ist der erwähnte Routine-Einsatz zu Beginn tatsächlich ganz großes Kino. Und optisch bleibt der Film auch  auf sehr hohem Niveau, wenngleich, wie ja häufig, mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten recht großzügig umgegangen wird.

Leider kann das Drehbuch dieses Niveau bei weitem nicht erreichen. Es will alles, greift dabei aber, wie Dietmar Dath (hier) schreibt, „zu weit ins Leere“. Es ist schon fast peinlich, dass es einem Film, der sich die Wandlung des kalten Technokraten zum mitfühlenden Menschen zum Thema gemacht hat, nicht gelingen mag, das auch überzeugend rüberzubringen. Der Hauptdarsteller bleibt in entscheidenden Momenten begrenzt, ja schon fast gefangen im bloßen Heruntersprechen von Off-Texten. Und selbst die große Frage – obwohl sie, und das sogar radikal, beantwortet wird – geht darüber beinahe verloren.

Fazit: Ein schwaches Drehbuch, fulminant bebildert.

Alle Daten zum Film hier (englisch)

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