Bekanntlich waren die 1950er ein Jahrzehnt, in denen es von Aliens nur so wimmelte, die die Menschheit unterjochen, ausrotten oder übernehmen wollten. In Alien Trespass (Kanada/USA 2009) befinden wir uns im Sommer 1958 (zur Zeit des Meteorstroms der Perseiden) und ein Raumschiff havariert in den Bergen bei Mojave Desert, einem Provinznest in Kalifornien. Die Besatzung besteht aus einem Alien namens Urp sowie einem Exemplar eines Ghota, einem (mannsgroßen) halbintelligenten Wesen, dessen Vermehrungszyklus in seiner Teilung besteht. Das Problem dabei ist, dass er dazu eine Menge Energie, das heißt Nahrung benötigt, und die besteht aus organischem Material, sprich: Tieren und – vor allem – Menschen.
Der Ablauf des Films versteht sich dann von selbst: Der Ghota, das Monster, streift durch das Städtchen und vertilgt einen Menschen nach dem anderen. Zurück bleibt nur eine Pfütze. Eine Zeitlang herrscht unter den Menschen – wie in Horrorfilmen üblich – Verwirrung darüber, was geschieht, während man als Zuschauer dem Treiben des Monsters hautnah beiwohnt: Die Menschen werden sozusagen vor laufender Kamera gekillt, aufgelöst und dem Ghota-Organismus zugeführt. Aber die Menschen haben in diesem Fall Glück …
… denn Urp stellt sich (nach einigen Verwirrungen und Verwicklungen) als Alien-Marshal heraus – Urp gesprochen wie Earp in Wyatt Earp, der berühmteste Marshal des Wilden Westens –, dessen Aufgabe es ist, den Ghota wieder einzufangen. Und als außerirdischer Gesetzeshüter stellt er sich auf die Seite der Menschen, die ja das gleiche Ziel verfolgen. Und das Ende ist – wie es sich für solche Filme gehört – happy.
Bemerkenswert ist allerdings der Weg dorthin.
Als am Beginn des Films, ein großer Meteorit niedergeht (beziehungsweise ein Körper, der zunächst als solcher interpretiert wird), ist Lana gerade dabei, ihren Gatten Ted ins eheliche Bett zu locken. Der, ein Wissenschaftler, findet den vermeintlichen Meteoriten auch nicht uninteressant … Während des folgenden Liebesgeflüsters erwähnt sie, um ihn sozusagen in Fahrt zu bringen, die Schmelztemperatur von Eisen – die sie also kennt. Für eine weibliche Filmfigur in SciFi-Filmen der 50er Jahren praktisch eine Unmöglichkeit.
Im Folgenden gibt’s sehr viel mehr von diesem … nennen wir’s: Retro-Feminismus: Kerle, die kreischen (genauso laut und nervig, wie das in derartigen Filmen für gewöhnlich Frauen vorbehalten ist). Männer, die vom Ghota verspeist werden; Frauen, die … nein: Nur eine einzige Frau (Teil eines Pärchens) fällt dem Ghota zum Opfer. Ebenfalls eher selten in derartigen Filmen. Und Tammy, Bedienerin in einem Saloon und anfangs nur eine Nebenfigur, wächst im ShowDown des Films über sich selbst hinaus, indem sie sich dem Ghota stellt und ihn eine Weile in Schach hält – bevor ihr Urp dann zu Hilfe kommt (soweit geht der Feminismus auch wieder nicht). Tammy – und nicht Urp – dominiert auch die letzten Minuten, als sie vor dem Raumschiff eine Brandrede hält gegen Intoleranz und für Menschlichkeit: Sie sieht sich gezwungen, Urp vor einigen (bewaffneten) Bürgern Mojave Deserts zu schützen, die in ihm (zunächst) keineswegs den Retter der Menschheit sehen wollen.
Bemerkenswert ist auch die Umsetzung des Films: Alles wirkt sehr stilecht. An der Ausstattung (Kulissen bis Kostüme) gibt es ebenso wenig zu bekritteln wie an Makeup oder Frisuren. Alles sieht tatsächlich so aus wie in den tiefsten 50ern. Dazu kommen gute Schauspieler und ein Regisseur, der seine Sache sehr ernst nimmt. Dennoch floppte der Film in den USA und in Kanada vollständig; am Startwochenende brachte er (in den USA) grade einmal 43.000 Dollar zusammen, insgesamt wenig mehr als 100.000 Dollar.
Das mag daran liegen, dass der Film keine Materialschlacht à la Independence Day, Battleship oder Prometheus liefert (die Tricks scheinen sogar allesamt altmodisch analog zu sein). Wahrscheinlicher ist, dass Alien Trespass ein paar filmische Gepflogenheiten missachtet, an die man sich (vor allem im SciFi- und Action-Bereich) mittlerweile gewöhnt hat. Beispielsweise verweigern sich Steven P. Fisher (Drehbuch) und R. W. Goodwin (Regie) den berühmten Einzeilern. Hier werden richtige, d. h. sinnvolle und vollständige Sätze gesprochen, die der erzählten Geschichte dienen. Als Urp beispielsweise Tammy seinen Namen nennt, hält sie das für einen Rülpser und bietet ihm freundlicherweise Magentabletten an. Das fügt sich völlig selbstverständlich in den Handlungsfluss ein: keine Kunstpause, kein schauspielerischer oder technischer Gimmick, der einem versichert, gerade Ironie gehört zu haben.
Dazu kommt, dass der Film gelegentlich ein bisschen zu sophisticated ist: So beginnt er mit einer Wochenschau vom 21. November 1957 – ebenfalls stilecht in Bild (schwarz/weiß) sowie Off-Stimme (auch die deutsche Synchro klingt, als stamme sie aus dieser Zeit). Die Wochenschau endet mit einem Bericht, der uns, dem Zuschauer, versichert, der Film Alien Trespass, den wir ja gleich sehen werden (und der als „der größte Science-Fiction-Film aller Zeiten“ angepriesen wird), existiere nicht, weil es zum Zerwürfnis zwischen Produzent und Hauptdarsteller gekommen sei. Die vorigen Beiträge der Wochenschau mäandern zwischen Seriosität und Boulevard. So gibt es, passend zur Zeit Ende November, einen „Bericht“ über den Weihnachtsmann, der am Nordpol hause (etwas, das es alljährlich bis heute im amerikanischen Fernsehen zu sehen gibt). Ein anderer, scheinbar seriöser Bericht bezieht sich auf das amerikanische Pioneer-Programm: Es wird behauptet, die Sonde Pionier sei zum Mond gestartet worden. Sie wird als „die mit Abstand erfolgreichste Raumsonde der Menschheit“ bezeichnet. Um das als bösen Sarkasmus zu erkennen, muss man schon sehr tief in der amerikanischen Raumfahrt stecken: Es gab zwar Sonden des Typs Pioneer, aber bis 1959 endeten alle Pioneer-Starts in einer Explosion kurz nach dem Start; Pioneer 4 erreichte (im März 1959) als erste den Mond, wenn man unter „Erreichen“ auch ein Passieren in einem Abstand von 60.000 Kilometer Abstand versteht … Der Gag dieser Wochenschau besteht also darin, dass sämtliche Beiträge, die boulevardesken genauso wie die scheinbar seriösen, Fakes darstellen.
Fazit: Wenn man den Film nicht ganz so ernst nimmt wie seine Macher, dann hat man hier ein echtes Schätzchen im Player. Vielleicht sieht man sogar einen Kultfilm in spe, denn wahre Kultfilme brauchen bekanntlich Zeit, um zu solchen zu werden.