Star Trek: Picard (1. Episode)

Es beginnt mit einer Pokerpartie, Commander Data, der Android, gegen Jean-Luc Picard, ehemals Captain der Enterprise. Zur Erinnerung: Auch auf der Enterprise hat man des Öfteren gepokert, aber erst im Finale der Serie Star Trek: The Next Generation (TNG) hat der Captain selbst, in der letzten Szene der Serie, an einer teilgenommen (auch Data war damals mit von der Partie). Die neue Serie im Star-Trek-Universum, Star Trek: Picard, schließt also direkt an TNG an.

Diesmal allerdings erweist sich die Pokerpartie als ein Traum Picards. Er erwacht im Bett auf seinem Anwesen in Frankreich, dem Château Picard, wo er, nachdem er die Sternenflotte verlassen hat, als Pensionär seine (vermutlich) letzten Jahre verbringt. Es ist derselbe Ort, an den er sich (in TNG, 4. Staffel, 2. Episode) zurückgezogen hatte, nachdem er von den Borg, die ihn als Locutus assimiliert hatten, befreit worden war. Damit sind sie, die Borg, im Spiel, wenn zunächst auch nur für Insider.

Der Tag nach dem Picard’schen Alptraum – das Pokerspiel endete mit dem Tod von Data und ihm selbst – ist „ein großer Tag“, denn es steht ein Interview mit FNN an, dem Sender, der die „News of the Galaxy“ im Programm hat. Und so grotesk großspurig wie das Motto des Senders ist auch die Interviewerin, der sich Picard schließlich gegenüber sieht; sie ist offenbar eine in die Zukunft projizierte Oprah Winfrey: schwarz, weiblich, arrogant. Sie versucht, stets mit einem überheblichen (oder mitleidigem) Lächeln im Gesicht, Picard vorzuführen.

Gleichzeitig fungiert sie auch als in die Story integrierte Erzählerin, quasi als Verlängerung der Drehbuchautoren. Als solche schildert sie die  Vorgeschichte, also das, weshalb es die Serie überhaupt gibt: Vor 12 Jahren, im Jahr 2387, wurde Romulus, die Heimatwelt der Romulaner, durch eine Supernova bedroht (was Thema des 11. Star-Trek-Films, Star Trek, war). Dieser Film, der erste der neuen Star-Trek-Linie, verabschiedete sich von unserer Zeitlinie und betrat eine neue, alternative Zeitlinie, die mit dem bisherigen Star-Trek-Kosmos nichts mehr zu tun hatte. Das geschah nicht, weil man irgendeine neue, tolle, noch nie dagewesene Idee gehabt hätte, die man nur so verwirklichen könnte. Das Gegenteil ist richtig: Man wählte diesen Weg, damit das neue Star Trek (das von J. J. Abrams) sich nicht ständig um lästige Kongruenz mit der Vergangenheit bis hin zu TOS (der klassischen Serie aus den 1960ern) zu kümmern brauchte. Star Trek: Picard nun setzt die „klassische“ Zeitlinie fort.

Romulus ersuchte die Föderation um Hilfe, die diese auch gewährte: Zehntausend warpfähige Fähren wurden, unter dem Kommando von Jean-Luc Picard, losgeschickt, um 900 Millionen Romulaner umzusiedeln auf Welten, die außerhalb der Reichweite der Supernova lagen.

„Und dann geschah das Unvorstellbare“, so die Moderatorin. „Einer Truppe abtrünniger Androiden gelang es, das Verteidigungsnetzwerk des Mars zu infiltrieren. Sie zerstörten die Rettungsflotte und die Utopia-Planitia-Flottenwerft. Die Explosionen haben Dämpfe in der Stratosphäre entzündet; der Mars brennt bis zum heutigen Tag. Es gab 92.143 Tote und führte zu einem Verbot von Androiden.“

Schließlich stellt sie die entscheidende Frage an Picard: „Wieso haben Sie die Sternenflotte verlassen?“ Seine Antwort: „Weil es nicht mehr die Sternenflotte war.“ Nicht das Verbot der Androiden, das Picard zwar für einen schweren Fehler hielt und hält, führte zum Bruch, sondern der Rückzug der Föderation: „Die Galaxis hat getrauert und ihre Toten bestattet. Und die Sternenflotte stiehlt sich aus der Verantwortung! Die Entscheidung, die Rettung abzubrechen und jene im Stich zu lassen, die zu retten wir geschworen haben, war nicht nur unehrenhaft, sondern schlicht und ergreifend kriminell. Und ich war nicht mehr bereit, untätig dabei zuzusehen!“ Damit bricht er das Interview ab: „Wir sind hier fertig.“

Aus diesem Interview entwickeln sich zwei Stränge. Einer wird im weiteren Verlauf der Episode näher verfolgt; der andere bleibt (vermutlich vorläufig) nur virtuell vorhanden, besteht hier nur aus einem einzigen Wort, prägt der Episode (und vielleicht der ganzen Serie) durch dieses eine Wort aber so etwas wie einen moralischen Tiefenrhythmus auf.

Zum 1. Strang: Durch das Interview, das live übertragen wurde, wird eine junge Frau, Dahj, auf Picard aufmerksam. Sie besucht ihn, behauptet, ihn zu kennen. Bei seinen Recherchen im Archiv der Sternenflotte stößt Picard auf ein Gemälde, gemalt von Commander Data, auf dem Dahj zu sehen ist. Der Haken dabei: Data hat das Bild vor 30 Jahren gemalt, lange vor der Geburt von Dahj. Das Bild trägt den Titel „Tochter“. Aus TNG (S03E16) wissen wir, dass Data schon immer eine Tochter wollte. Und in gewisser Weise ist Dahj genau das: Ein Android mit einem Körper aus Fleisch und Blut und einem positronischen Gehirn. Sie selbst wusste davon bisher nichts, hat sich immer für einen „normalen“ Menschen gehalten …

Am Ende der Episode finden wir uns in einer „romulanischen Rückgewinnungseinrichtung“, ein Ort, durchaus geeignet, um (illegal) Androiden zusammenzubauen. Man sieht zunächst nur Details in Großaufnahme oder im Hintergrund, aber für die letzte Einstellung der Episode öffnet sich der Blick und zeigt die gesamte Anlage. Man sieht einen leicht modifizierten … Borg-Kubus.

Zum 2. „Strang“: Als die Interviewerin von FNN die Logistik der föderalen Rettungsaktion mit dem Bau der ägyptischen Pyramiden vergleicht, weist Picard das von sich, bezeichnet den Pyramidenbau als „Sinnbild kolossaler Eitelkeit“. Und im Fortfahren erwähnt er, ohne weitere Erklärung, jenes eine Wort: „Wenn Sie nach einer historischen Analogie suchen – Dünkirchen.“

Dünkirchen: französische Hafenstadt an der Nordsee. Im Mai 1940 stand mit dem Erreichen der deutschen Truppen vor Dünkirchen der Fall Frankreichs unmittelbar bevor. Die französische Nordarmee und ein englisches Expeditionskorps (zusammen fast 400.000 Mann) hatten einem deutschen Angriff nichts mehr entgegenzusetzen und sahen der Gefangennahme ins Auge. Sie bereiteten also die Flucht über den Kanal nach England vor. Und überraschenderweise gelang das den meisten auch, wenn auch unter Zurücklassung sämtlicher Ausrüstung. In England sprach man vom „Wunder von Dünkirchen“, doch möglich war dieses Wunder nur, weil der Führer (gegen den Protest seiner eigenen Generäle) den entscheidenden Angriff hinauszögerte.

Die Analogie zwischen Dünkirchen und dem Rückzug der Föderation aus der Rettungsaktion ergibt allerdings nur aus der Sicht eines Franzosen (der Picard ja ist) einen Sinn. Denn am Ende gerieten etwa 40.000 Mann in deutsche Gefangenschaft, und zwar ausschließlich Franzosen. Nach französischer Lesart ließen die Engländer die Franzosen im Stich, um ihre eigene Haut zu retten. Diese Feinheiten dürfte aber weder ein amerikanischer noch ein englischer noch ein deutscher Zuschauer verstehen. Hängen bleibt – und soll es wohl auch – „irgendwas mit Nazis“.

Star Trek: Picard hat mit der Figuren- und Stoffkonstellation, die die erste Episode aufbaut, einerseits durchaus das Zeug, zur besten Star-Trek-Serie überhaupt zu werden. Aber andererseits lauern hinter den gewaltigen Assoziationen, die die Erwähnung von Dünkirchen, den Borg, von mordenden Androiden und einer gescheiterten Föderation hervorrufen, auch gewaltige Gefahren; nicht nur an der deutschen Frage (oder der Deutschenfrage) ist Star Trek ja schon mehr als einmal gescheitert. Warten wir es also ab …

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Star Trek: Picard (2. Episode)

SciFi Quickies III: Pacific Rim 2, Alien: Covenant

Pacific Rim: Uprising (USA 2018)

Es ist eine einzige Szene, in der sich das Elend des ganzen Films offenbart; sie leitet (nach 74 Film-Minuten) das große Action-Finale ein: Jake Pentecost, Sohn des Großen Stacker Pentecost, Held des ersten Teils, lässt seinen Trupp aus (mehr oder weniger jämmerlichen) Jäger-Piloten strammstehen, um sie auf den bevorstehenden Endkampf gegen die Kaijus einzustimmen.

Man hat das schon hundert Mal gesehen und gehört, und hier wird nicht nur nichts Neues hinzugefügt, sondern das Altbekannte bis hin zur Karikatur entstellt (oder auch entlarvt): Pentecost beginnt seine Rede zunächst mit der Feststellung, dass er nicht sein Vater, also kein Held sei. Dass aber jeder zum Helden werden könne, also auch der Haufen vor ihm … Und es endet mit der Parole: „Jetzt helft mir, die Welt zu retten.“ Der völlig ironiefreie Ernst, mit dem dieser Satz (in Mimik und Tonfall) vorgebracht wird, sorgt für einen der wenigen witzigen Momente in diesem Film. Und dass das unfreiwillig geschieht, sagt absolut alles.

Fazit: Fette Action, dünne Story.

Alien: Covenant (USA/UK 2017)

Obwohl ebenfalls die Fortsetzung einer Fortsetzung (und so weiter) ist Alien: Covenant von anderem Kaliber. – Zehn Jahre nach dem Verschwinden der Prometheus empfängt die Besatzung des Kolonistenschiffs Covenant ein seltsames Signal: eine Frauenstimme, die Take me home, country roads singt. Da der Planet, von dem die Stimme kommt, nicht weitab der ursprünglichen Route liegt und er außerdem in der habitablen Zone seiner Sonne liegt, beschließt man, auf ihm zu landen.

Natürlich ein kapitaler Fehler. Es ist eine Welt der Konstrukteure. Von deren Existenz jedoch lediglich archäologische Artefakte künden. Von ihnen selbst keine Spur. Vor zehn Jahren war dort die Prometheus gestrandet; einziger Überlebender: David, der Android, der am Menschen nur das bewundert, was ihn hervorgebracht hat: die Schöpferkraft. Ansonsten ist der Mensch „eine gescheiterte Spezies“.

Wofür als Indiz gelten könnte, dass er seinesgleichen immer wieder gern beim Sterben zuschaut. Der Film macht sich keinerlei Mühe, Raffinesse an den Tag zu legen, wenn der in einem Alien-Film unvermeidliche Splatter ansteht. Wer aufs Klo oder sich frischmachen geht – der kommt nicht zurück. Was man erwartet, das kriegt man. Der Zuschauer sieht sich sozusagen seiner eigenen Verworfenheit gegenüber.

Fazit 1: Echte Menschen, Maschinen und Aliens in einem ästhetisch und dramaturgisch perfekt inszenierten Plot.

Fazit 2: Der zynische Pessimismus des Films ist allerdings nicht für jedermann bekömmlich. So sollen die Einspielergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein, und auch so mancher Kritiker zeigte gewisse Empfindlichkeiten. Dennoch ist der nächste Teil – Arbeitstitel Alien: Awakening – bereits in Arbeit.

Independence Day: der zweite Versuch

ID4„Ich kann nicht glauben, dass es 20 Jahre her ist“, bemerkt Kampfpilot Jake Morrison, der vor 20 Jahren entweder noch gar nicht geboren war oder noch Windeln vollkackte. Vor 20 Jahren, zum Independence Day 1996, kamen die Aliens irgendwo aus den Weiten des Alls, und ihr einziges Ziel war es, die Menschheit auszurotten, denn interessiert waren sie nur am Planeten Erde; die Biosphäre, einschließlich des Menschen, stellte für sie schon damals nur einen lästigen Störfaktor dar.

Was wurde über diesen Film nicht alles gelästert! Es wurden wahre Jauche-Kübel über ihn gekippt. Und jeden einzelnen davon hatte er sich auch redlich verdient. Er ließ wirklich kein Klischee (Personen wie Plot betreffend) aus: Der Kampfpilot mit unerfüllten astronautischen Ambitionen, der Nerd, der über sich hinauswächst, der Vietnam-Veteran, der sich dem Suff ergeben hat, sich am Ende aber für die Menschheit opfert, der Politiker (US-Präsident) mit Idealen, die karrieristische Nerd-Ex, der verrückte Wissenschaftler, der weibische Schwule, der besorgte Nerd-Vater und so weiter und so fort.

Nachdem harastos sich Independence Day: Wiederkehr (USA 2016) angesehen hat, sieht er sich, notgedrungen und keineswegs glücklich darüber, in der misslichen Lage, die 1996er-Version einer Alien-Invasion gleichsam neu zu bewerten. Und das Ergebnis tut weh. Nie – niemals im Leben – hätte sich harastos träumen lassen, dass er die folgenden Sätze tatsächlich einmal aussprechen würde, nicht einmal, dass er sie je aussprechen könnte … Aber, nun ja, da muss man durch …

Jedes noch so abgegriffene, ausgelutschte, zu Tode gefilmte und von Emmerich erneut aufgenommene und ausgewürgte Klischee, das Independence Day (1996) dem Zuschauer zum Fraß vorwarf, diente einem einzigen Zweck: zu verdeutlichen, dass es um alles geht – um die Ausrottung der gesamten Menschheit. „Wir werden“, wie Whitmore, der US-Präsident, einmal bemerkt, „einfach vernichtet.“ Und das sieht, hört und fühlt man auch. Milliarden Menschen – nicht Tausende, nicht Millionen, Milliarden Menschen sterben bei den verheerenden Angriffen der Aliens. Ist ein Mainstream-Film je so weit gegangen? Noch am 3. Juli sieht es so aus, als könnte es das für die Menschheit tatsächlich gewesen sein. Jedes Klischee, das Emmerich auffährt, sorgt dafür, dass die ungeheuren Verluste der Menschheit, diesseits der gezeigten CGI-Zerstörungssequenzen keine bloße Abstraktion bleiben.

Und 20 Jahre später?

Die 165 Millionen Dollar, die Independence Day: Wiederkehr gekostet hat, sieht und hört man – ganz zweifellos. Aber man spürt, man fühlt sie nicht. Es ist, als sähe man von weit draußen zu, wie eine Welt, die zufällig Erde heißt, zerstört wird. Es berührt einen nichts und niemand. Weder einer der zahlreichen Personen, die im Film auftauchen (und wieder verschwinden), noch die Menschheit als Ganzes. Die Figuren, die nach 20 Jahren wieder dabei sind (etwa Whitmore oder Okun, der verrückte Wissenschaftler), sind müde Abziehbilder ihres einstigen Charakters oder – noch schlimmer – zu albernen Knallchargen entstellt.

Dem Film fällt nicht nur nicht viel Neues ein (was verzeihlich wäre), nein, er bringt es sogar fertig, altbekannte und in Invasionsfilmen unvermeidliche Plot-Turns zu entkernen, lieblos, hektisch, ohne jeden dramatischen Sinn und Verstand aneinander zu reihen. Schmerzhaft deutlich macht das die Filmmusik: Sie plätschert dahin wie Kaufhausberieselungsmusik, musikalischer Brei, der zäh und klebrig Personen, Plot und Dialoge überzieht und sie dabei endgültig erstickt.

Fazit 1: Wer den Film genießen möchte, beschränke sich auf einen Trailer, zum Beispiel auf den Official Trailer #2. Er erzählt eine kleine, in sich (fast) abgeschlossene Geschichte (die nur dem Hauptthema des Films, der Invasion, folgt). Die Dramaturgie ist stimmig und wird von der Musik auch unterstützt.

Fazit 2: Es könnte gut sein, dass mit diesem Film das Genre des Alieninvasionsfilms zu Grabe getragen wurde. Und das wäre das einzig Positive, das man zu Independence Day: Wiederkehr sagen kann.

Infini

Eine isolierte Station, ein paar schwer bewaffnete Leute mit einer Mission sowie ein Alien-Organismus, der ihnen das Leben schwer macht: Das ist das klassische Set für einen Alien-Horror-Streifen – schon vor Ridley Scotts Alien, aber mit diesem Film wurde es quasi zum Standard. Auch Infini (AUS 2015), Drehbuch und Regie: Shane Abbess, wählt diese Konstellation als Ausgangspunkt, geht im Verlauf der Handlung dann aber eigene Wege und liefert einen Schluss, der sich vom üblichen Horror/Alien-Szenario (wohltuend) weit entfernt.

infini2

Das Leben auf der Erde im 23. Jahrhundert ist zum bloßen Überleben geworden. Ressourcen liefern nur noch Minen-Stationen auf entlegenen Planeten. Jobs sind entsprechend knapp, und man muss nehmen, was kommt. Whit Carmichael will sich und seiner Freundin ein besseres Leben ermöglichen und heuert bei der West Coast SAR (Search and Rescue) an, wo er bereits an seinem ersten Tag Zeuge eines fatalen Zwischenfalls wird: Ein Team, Einheit 28, kehrt von Infini per Slipstream zurück – tot, um sich schießend oder dem Wahnsinn verfallen. Die Rückkehr löst eine automatische Abriegelung aus, wodurch Carmichaels Team isoliert wird; Giftgas strömt in den Raum. Um sich zu retten, leiten sie hektisch einen Sprung ein, der sie – da eine Änderung der Koordination nicht möglich ist – zu Infini führt. Danach hört man nichts mehr von ihnen.

Der Film wirft den Zuschauer mitten hinein in die Handlung. Die ersten zehn Minuten, bis zum Verschwinden Carmichaels, bestehen nur aus Action: Was die Akteure da eigentlich treiben, wird weder ersichtlich noch lässt es sich zusammenreimen. Erst als ein Rettungsteam zusammengestellt wird, nach 12 Minuten Filmzeit, ergeben sich (durch die geschilderte Einsatzbesprechung) einige Zusammenhänge: Infini ist der am weitesten von der Erde entfernte Außenposten. Es wird dort eine Substanz abgebaut, die ursprünglich als Energiequelle dienen sollte, sich aber als hochexplosiv herausstellte, wenn sie mit der irdischen Atmosphäre in Kontakt gerät. Der letzte Überlebende des letzten regulären Teams auf Infini hat in geistiger Umnachtung eine Ladung dieser Substanz per Slipstream Richtung Erde losgeschickt. Ankunftszeit: in 6 Minuten (Erdzeit). Zweck der Rettungsmission ist es, die Ankunft der Ladung zu verhindern. Während des Meetings erfährt der Einsatzleiter, dass Carmichael tatsächlich auf Infini angekommen und dort der einzige Überlebende seines Teams ist. Darüber hinaus wird noch erklärt, dass mit dem Slipstream in Nullzeit teleportiert wird (Trekkies nennen das Beamen), dass die Zeit (im Unterschied zum Beamen) aber nicht synchron läuft: Man kann am Ziel Stunden, Tage, Wochen verbringen, nach dem Zurückteleportieren sind auf der Erde aber nur Sekunden oder Minuten verstrichen.

Mit den nötigen Basics ausgestattet, kann es, in der 18. Filmminute, endlich losgehen: Das Rettungsteam wird auf Infini teleportiert. Bei der Ersterkundung der Station stoßen sie auf Dutzende von Leichen und werden über das altmodische Computersystem der Station außerdem von einem fremden Wesen kontaktiert. Auf einem grün flimmernden Monitor fragt es, wer sie seien und was sie wollten. Der Kontakt wird abrupt abgebrochen, als sie den unversehrten Whit Carmichael auffinden.

Kurz schildert er, wie sich die gesamte Mannschaft der Station samt aller eingetroffenen Rettungsteams gegenseitig umbrachten – nur er überstand das Massaker -, danach gehen sie unter seiner Leitung das primäre Missionsziel an: den Slipstream der Ladung Richtung Erde vorzeitig abzubrechen. Was auch gelingt. Die Mission (genau wie der Film) könnte hier zu Ende gehen, doch plötzlich werden sie von einem weiteren Überlebenden mit einer Axt angegriffen. Bevor sie ihn erschießen können, spritzt eine Menge (infektiöses) Blut herum. Alle Crewmitglieder entwickeln daraufhin paranoide Wahnvorstellungen, Halluzination, und vor allem ein unglaubliches Gewaltpotenzial, das nur noch ein Ziel kennt: sich abzuschotten und aus dem Hinterhalt die jeweils anderen auszuschalten.

Bevor das große Morden beginnt, findet Carmichael, den es in das Forschungslabor der Station verschlagen hat, heraus, dass die Station nie zur Gewinnung der Substanz diente, um diese der Menschheit als Energiequelle zur Verfügung zu stellen. Stattdessen war Infini von Anfang an der Erforschung der Substanz gewidmet, die einen quasi intelligenten Alien-Organismus darstellt, dessen alleiniges Ziel das eigene Überleben ist. In den wissenschaftlichen Aufzeichnungen, die Carmichael auffindet, wird vom „perfekten Organismus“ gesprochen. Ein Mythos, den die Alien-Filme ja immer wieder beschwören, wobei perfekt immer heißt: ganz auf Reproduktion ausgerichtet, ohne so störende Kleinigkeiten wie Moral oder Gemeinschaftsgefühl.

Die Substanz kann jeden anderen biologischen Organismus nachbilden – also auch Menschen. Und das tut sie. Sie hetzt die Menschen der Station aufeinander, damit am Ende des Auslese-Prozesses der eine, der Alpha-Organismus übrig bleibt, den sie dann ganz und gar für ihren Zweck, der das Überleben ist, einspannen kann. Und am Ende bleibt wieder einmal Whit Carmichael übrig. Der aber hat die Zusammenhänge längst durchschaut und stellt sich ultimativ gegen die Substanz, indem er sich selbst tötet. Würde er nämlich als der auserlesene Alpha-Organismus zur Erde zurückkehren, wäre es um die Menschen geschehen. Er opfert sich also, um das Schlimmste zu verhindern. Das aber – nämlich Selbstlosigkeit, man könnte es auch Liebe nennen – war bis dahin für die Substanz ein unbekanntes Konzept.

Und an dieser Stelle verlässt der Film Infini, der bis dahin wie ein klassischer Zehn-kleine-Negerlein-Horrorfilm funktionierte (und das auch ganz hart durchzog), auf relativ radikale Weise das Alien-Universum. Kurz bevor Whit Carmichael das letzte Mitglied des Rettungsteams tötet (beziehungsweise töten muss, weil es ihn, von der Substanz gesteuert, angreift), wechselt Infini mit einem Filmzitat seine bisherige Verortung im Alien/Horror-Genre.

Denn Infini bezieht sich – nach über 80 Filmminuten – nicht mehr auf Alien und andere einschlägige Filme, sondern covert in fast poetischer Weise eine Szene aus The Abyss, dem zweiten Alien-Film von James Cameron, der durch dessen nachfolgendem Werk (Terminator – The Judgement Day) ein bisschen untergegangen ist.

The-Abyss-Water-Face bearbeitet

Infini Szene bearbeitet

In beiden Fällen nehmen die Aliens direkten Kontakt mit den Menschen auf. Während in The Abyss da kaum noch Zweifel darüber bestehen, dass die Aliens den Menschen gut gesonnen sind, startet in Infini die Substanz damit den letzten Zweikampf, der zum Überleben des Alpha-Organismus führen soll. Nachdem Carmichael diesen Kampf für sich entschieden hat, wendet er sich direkt an die Substanz – „Ich weiß, du kannst mich hören.“ – und erläutert ihr, warum ihm kein anderer Ausweg mehr bleibt, als sich zu töten.

Man sieht, wie Carmichael stirbt. Schwarzblende. Dann: Carmichael kommt zurück. Und nach und nach alle anderen Mitglieder des Rettungsteams. Sie bereiten, als wäre nichts geschehen, den Slipstream zurück zur Erde vor. Carmichael (und der Zuschauer) erkennt, dass die Substanz dazu gelernt hat: Es gibt mehr und womöglich Zielführenderes als seine Existenz auf bloße Reproduktion um jeden Preis zu gründen. Eine Einsicht, die im Alien-Universum völlig undenkbar wäre  …

Als die Crew auf der Erde ankommt, wo nur wenige Minuten vergangen sind, schließt sich auch der Kreis zum chaotischen Anfang des Films. Die Rückkehr von Einheit 28 löste die Abriegelung aus, weil die Mitglieder des Teams von der Substanz verseucht waren. Die Automatik ging auf Nummer sicher, nahm sogar den Tod von Carmichaels Crew in Kauf, denn wäre auch nur einer von der 28 nach draußen gelangt, hätte es das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, bedeutet. Jetzt ist es Carmichael und „seine“ Crew, die einem harten Scan unterworfen wird. 53 Sekunden lang herrschen Zweifel darüber, ob man sie wirklich auf die Menschen der Erde loslassen kann, ob sie sauber oder verseucht sind. Der Film wiederholt die komplette Scan-Sequenz des Anfangs (mit der man da noch überhaupt nichts anfangen konnte), bevor sie dann endlich erfolgt: die Freigabe.

Fazit: Alien-Horror von der ganz anderen Art – dessen Wucht sich allerdings erst beim zweiten Sehen richtig offenbart.

Edge of Tomorrow

Wieder einmal muss die Menschheit ran: In der Operation Downfall – Untergang – stemmt sie sich gegen denselben. Bereitet soll er ihr von den Mimics werden, Aliens, die eigens zu diesem Zweck – es ist offenbar ihr einziges Lebensziel, Planeten zu erobern – auf der Erde eingefallen sind. Doch Downfall ist keine Operation, die die Menschheit gestartet hat – das glaubt sie nur: Es ist eine Falle, ein Hinterhalt der Aliens. Allerdings kein gewöhnlicher, sondern einer, der die menschheitlichen Streitkräfte, zusammengefasst in der UDF (United Defense Force), nicht nur an einen Ort führt, an dem sie in ihr Verderben rennen soll, sondern immer wieder dorthin führt, denn die Aliens können die Zeitlinie manipulieren.

Wer jetzt aber glaubt, dass Edge of Tomorrow (USA 2014) ein Film ist, der sich in einer komplizierten Zeitreise-Geschichte verliert (was bei solchen Geschichten ja häufig passiert), der irrt. Doug Liman (Regie) sowie Christopher McQuarrie, Jez und John-Henry Butterworth (Drehbuch, nach einem Kurzroman des japanischen Science-Fiction-Autors Hiroshi Sakurazaka) liefern einen gradlinigen Action-Film ab, der die nötigen Erklärungen wohldosiert und immer an den richtigen Stellen einfügt. Der Handlungsfaden des Films geht dabei nie verloren und läuft strikt auf den (allerdings absehbaren) Showdown zu.

Schlachtfeld Edge of Tomorrow

Die Ausgangslage wird in den ersten Minuten anhand von Nachrichtensplittern vermittelt: Die Aliens haben ihren Krieg gegen die Menschheit in Europa angefangen – Deutschland und Frankreich gingen als erstes „verloren“ – und befinden sich auf dem Vormarsch auf London. Unaufhaltsam, denn „ein Feind, der die Zukunft kennt, kann nicht verlieren“. Außer natürlich, der Angegriffene findet einen Weg, ebenfalls Zugriff auf die Zeitlinie zu finden.

Genau das gelingt – zunächst unbeabsichtigt und unwissentlich – William Bill Cage, PR-Mann und seines Zeichens Drückeberger, der sich so gar nicht direkt an der Front sieht, wohin ihn General Brigham aber, wenig einsichtig, abkommandiert. Bei seinem ersten Kampfeinsatz im Rahmen der Operation Downfall – seine Einheit wird, „am Strand“, von den Aliens erwartet und fast vollständig ausgelöscht – tötet er ihm letzten Moment ein Alien, bevor es ihn töten kann. Dabei kommt er in Kontakt mit Alien-Blut. Und das ändert alles – für ihn persönlich ebenso wie für den Ablauf des gesamten Krieges. Aliens agieren nicht als Individuen, sondern als einziger Organismus, und das Alien, das Cage tötet, ist ein Alpha-Exemplar mit Zugriff auf die Zentraleinheit (gleichsam das Gehirn) aller Aliens. Dieses Gehirn – wenig originell als Omega bezeichnet – befindet sich an einem unbekannten Ort und steuert die Zeitlinie. Immer, wenn die Alien-Armeen in Bedrängnis geraten, setzt das Omega die Zeit zurück, lässt den Tag also von vorn beginnen, was es den Aliens ermöglicht, alle Verteidigungsstrategien der Menschheit erfolgreich zu kontern.

Durch das Blut des Alpha-Aliens geht die Fähigkeit, die Zeit immer wieder zurückzusetzen, auf Cage über. Aber nur, wenn er im Einsatz stirbt. Wird er gerettet und erhält dabei beispielsweise eine Bluttransfusion, geht sie verloren. Darauf bezieht sich der martialische Slogan, mit dem der Film beworben wird: „Live. Die. Repeat.“

Bei seinem Kampf gegen Aliens und die Zeit trifft Cage, der für nichts, was mit ihm geschieht, eine Erklärung hat, auf Rita Vrataski, eine Kämpferin und Kriegsheldin – Nickname „Full Metal Bitch“ oder auch, respektvoller, „Der Engel von Verdun“ –, die sofort erkennt, über welche Fähigkeiten er verfügt. Denn sie selbst hatte sie, vor Verdun, ebenfalls. Sie konnte eine Menge Menschen retten – bis sie selbst gerettet wurde. Dann war es damit vorbei und die Schlacht (sowie Frankreich) ging verloren.

Fortan nehmen sie es gemeinsam mit dem Feind auf. Ziel ist es, das Omega zu finden und zu zerstören. Startpunkt ist der Strand. Anfangs kommen sie nicht sehr weit: Immer wieder sterben sie, immer wieder beginnt die Schlacht von Neuem, immer wieder wird sie verloren. Aber bei jedem Durchgang kommen sie, da er ja weiß, was sie quasi an der nächsten Biegung erwartet, ein Stückchen weiter. Nebenher trainiert sie ihn, an Maschinen, die die Kampftechnik der Aliens simulieren. Verletzt er sich dabei, bricht sich etwa ein Bein, springt sie hilfreich ein und tötet ihn. Was ihr nicht sehr schwer fällt, da er für sie stets ein Fremder bleibt. Nur er ist es, der sich an die vergangenen Durchläufe erinnern kann. Woraus der Film auch eine Menge Komik bezieht, da auch alle anderen im Film nicht wissen, dass Cage weiß, was gleich passieren wird.

Dutzende, Hunderte von Malen durchläuft der Film immer wieder den gleichen Tag, die gleichen Ereignisse, die gleichen Niederlagen und Tode. Viele werden gezeigt, andere nur angedeutet. Der Film arbeitet sich sozusagen durch einen Wust von Wiederholungen und fügt dabei immer ein Stück Neuigkeit hinzu. Gerade so viel, dass man als Zuschauer dabei bleibt. Und auch nicht ermüdet. Bis nach über anderthalb Stunden schließlich das Omega gefunden wird – es befindet sich in der Eingangspyramide des Louvre im entvölkerten Paris – und der Showdown Mensch gegen Alien ins finale Stadium münden kann.

Fazit: Es ist ein (beinahe oscarwürdiges) Kunststück, wie das Drehbuch es fertig bringt, einen fast zweistündigen Action-Film, der zum Großteil aus Wiederholungen besteht, nicht öde oder kopflastig werden zu lassen. Vorzuwerfen ist dem Film allerdings, dass er keinerlei Substanz aufweist. Die einzige Botschaft, die er hat (und die ist öde): Der Feigling, der über sich hinauswächst und zum Helden wird.