Edison – Ein Leben voller Licht (USA 2017)

„Ich, Thomas Alva Edison, reiche heute, am 27. Januar 1880, diese Kurzfassung meines Patentantrages beim Patentamt der Vereinigten Staaten von Amerika ein. Bei meiner Erfindung handelt es sich um den einzigartigen Entwurf eines gläsernen Vakuumkolbens, in dem sich ein dünner Baumwollfaden befindet, dessen Enden an Stäben befestigt sind und einen Bogen formen. Einzelheiten und schematische Darstellungen folgen. Sie werden sämtliche Aspekte der Erfindung deutlich machen. Ihr Zweck ist ganz einfach: Licht zu spenden.“

Mit diesen Worten beginnt der Film Edison – Ein Leben voller Licht (USA 2017; Drehbuch: Michael Mitnick, Regie: Alfonso Gomez-Rejon). Sie kommen aus dem Off, während das Bild gemächlich auf einen fahrenden Personenzug überblendet. Ausgangspunkt der Blende war das erste, fast statische Bild des Films: Edison, wie er, umtost von einem Schneesturm, in etwas zurückgenommener – heute würde man sagen: in lässiger Heldenpose dasteht und der Welt kämpferisch entgegenblickt. Als einsamer Wolf inmitten der um ihn wütenden Natur.

Der Zug ist „beladen“ mit Investoren. Ziel des Zuges ist Menlo Park, die Forschungsfabrik Edisons. Hier tüfteln Hunderte von begabten bis besessenen Technikern an den Ideen, die Edison hat. Dort wurde auch der erwähnte „gläserne Vakuumkolben“ – vulgo: die Glühbirne – ausgeheckt. Edison führt sie in einen archaischen Kreis, nur dass hier nicht Hinkelsteine den Kreis bilden, sondern Säulen, auf deren Kapitellen Glühbirnen sitzen. Das Bild – der Film zeigt es von oben – ist (natürlich) gewaltig: Ein Stonehenge aus elektrischem Licht.

Das war gleichsam der Prolog des nachfolgenden Stromkriegs – des Current War, so der Originaltitel des Films. Bei The Current War handelt es sich um ein Wortspiel: Die wörtliche Bedeutung ist Der Stromkrieg; current = Strom (Alternating Current = Wechselstrom; Direct Current = Gleichstrom); der Begriff Stromkrieg ist eingegangen in die amerikanische Geschichte als Kampf bei der Elektrifizierung des Landes zwischen Thomas Edison (Verfechter des Gleichstroms) und George Westinghouse (Vertreter des Wechselstroms). Und das ist auch die vordergründige Handlung des Films: Edison, der nach Erfindung der Glühbirne alles daran setzt auch sein System der Stromversorgung durchzusetzen, das auf Gleichstrom beruht. Westinghouse hingegen setzt auf Wechselstrom, dessen Infrastruktur sehr viel effektiver und billiger zu verwirklichen ist. Diesen Krieg der Systeme gewann (natürlich) Westinghouse: Bis heute basiert die Stromversorgung weltweit auf dem System Westinghouse (und wird das vermutlich auch die nächsten 1000 Jahre tun, gleichgültig, wie der Strom hergestellt werden mag).

Aber The Current War hat eine weitere Lesart: The Current War steht auch für den gegenwärtigen Krieg (current = aktuell, derzeit, rezent), den Krieg also, der aktuell stattfindet, den Krieg, der uns alle derzeit umtreibt – und dessen Spuren allenthalben … na ja: eben gegenwärtig sind.

Und so gesehen, öffnet der Film (für die Verhältnisse, die derzeit, schon wieder dieses Wort, in Hollywood vorherrschen) ganz andere Dimensionen.

Auch diese Geschichte beginnt mit einer Zugfahrt: Edison sitzt mit seiner Familie in einem Zug Richtung Washington D. C. Dort angekommen, spricht der Präsident einen albernen Reim in den Edison’schen Phonographen. Hinter den Kulissen erhält Edison ein Millionenangebot, das er jedoch – laut und wiederholt – ablehnt, weil er es für „inakzeptabel“ hält. Es geht um die Entwicklung von Waffen. Aber Edison hat da ganz klare Prinzipien: „Wenn es Geräte gibt, die ich niemals bauen werde, dann solche, die Menschen töten. Das ist barbarisch.“ Der Film kommt in der Anfangsphase immer wieder auf diese Edison’sche Moral zurück: „Meine Erfindungen“, so Edison später, „funktionieren. Und wenn sie funktionieren, ist es mir lieber, wenn sie keinen umbringen.“ Oder: „Mein Gehirn wird nichts erfinden, was den Menschen Schaden zufügt.“

Der Präsident beim Reimen …

Aber als er durch den Erfolg von Westinghouse – immer mehr Städte der USA entscheiden sich für den Wechselstrom –, in Bedrängnis gerät, vergisst Edison zunehmend seine einstigen Ideale. Was schließlich so weit geht, dass er nicht einmal mehr vor Lug und Betrug (und Heuchelei) zurückschreckt.

Es beginnt – wie meistens – mit heuchlerisch zugesicherter Moral. Bei Edison der schon erwähnte Satz: „Mein Gehirn wird nichts erfinden, was den Menschen Schaden zufügt.“ Dieser Satz fällt bei einer Firmenbegehung gegenüber einer Handvoll Journalisten. Einer dieser Journalisten fragt nach: „Sie sagen also, Westinghouse will den Menschen Schaden zufügen?“

Worauf Edison erwidert: „Nein, ich darf das nicht sagen.“ Ein angedeutetes Lächeln (vielleicht auch schon ein Grinsen), dann: „Sie schon.“

Danach steigert er sich langsam: Er tötet, vor Pressevertretern, per Wechselstrom ein Pferd, um die Gefährlichkeit des Wechselstroms zu demonstrieren (was er „Westinghousen“ nennt). Als in einer Westinghouse-Firma ein Arbeiter an einem Stromunfall stirbt, nutzt er das sofort für seinen Feldzug gegen den Wechselstrom und „argumentiert“ auch hier mit heuchlerischer Moral: Er sei – über diesen Unfall – weniger traurig als vielmehr wütend, weil er ja hätte verhindert werden können, wenn man sich erst gar nicht auf Wechselstrom eingelassen hätte und so weiter blabla.

Endgültig überschreitet Edison den Rubikon, als ein gewisser Southwick Brown von der Kommission für Todesstrafen (zum zweiten Mal) an ihn herantritt. Brown ist daran gelegen, die Hinrichtung von verurteilten Delinquenten möglichst human zu gestalten. Wozu es auch allen Grund gibt, denn die übliche Hinrichtung durch den Strang zeichnete sich vor allem durch Pfusch aus: die Delinquenten starben „entweder durch Ersticken oder sie wurden gewaltsam geköpft“. Als er sich zum ersten Mal an Edison gewandt hatte – während der Pferde-„Hinrichtung“ –, wurde er noch brüsk abgewiesen, weil Edison immerhin noch einen Unterschied zwischen einem Pferd und einem Menschen sah.

Als er jetzt – inmitten des Stromkriegs – an ihn herantritt, hat er noch immer das gleiche (ehrenwerte) Anliegen. Zusätzlich weiß er aber auch, wie er es durchsetzen könnte: Ein Delinquent in Buffalo – er hat seine Frau mit der Axt erschlagen – steht zur Hinrichtung an, und Brown will von Edison „nur“ dessen Rat in Detailfragen – „wo setzt man die Elektroden an, wieviel ist noch menschenwürdig“. Im Gegenzug bietet er etwas an, von dem er weiß, dass Edison es sich wünscht: „Ich werde zum geeigneten Zeitpunkt bekannt geben – und das ganz offiziell –, dass es die Stromart von Westinghouse ist, die zum Töten von Menschen eingesetzt wird.“

Jetzt wäre der Zeitpunkt für Edison, dem Ganzen ein Ende zu machen. Und er weiß es; man sieht es ihm an. Aber er tut es nicht. Stattdessen geht er auf das unmoralische Angebot ein: „Mein Name darf in diesem Zusammenhang niemals genannt werden“, sagt er. Und weiter: „Sie haben von mir keine Ratschläge erhalten und Sie werden verlauten lassen, dass der Strom von Westinghouse die beste Art ist, Leute umzubringen.“ Und zum Schluss weist er Brown noch ausdrücklich darauf hin, die Korrespondenz, die es bisher zwischen ihnen gegeben hat, zu verbrennen.

Der Film treibt es noch weiter. Als die Hinrichtung schiefgeht und zur Schlächterei wird, die man eigentlich verhindern wollte, ist Edison wieder zur Stelle und auf der richtigen Seite: Er habe es ja schon immer gewusst …

Westinghouse

Trotz allem schließt der Film versöhnlich.

Wir befinden uns auf der Weltausstellung in Chicago 1893. Für die Stromversorgung der Ausstellung hatten sich sowohl Westinghouse als auch Edison beworben; den Zuschlag erhielt Westinghouse – es war der Durchbruch für sein System. Und in diesen letzten Minuten gelingt dem Film – auch angesichts seiner beiden Hauptdarsteller – etwas ganz Ungewöhnliches.

Westinghouse und Edison begegnen sich zufällig in der Ausstellung. Sie befinden sich vor der eingezäunten chinesischen Vertretung; eine alte Chinesin kalligraphiert innerhalb des umzäunten Areals chinesische Schriftzeichen.

Es ist Westinghouse, der das Gespräch mit ein paar Belanglosigkeiten eröffnet. Aber Edison ist es unmöglich, auf diese Höflichkeitsfloskeln einzugehen, und kommt deshalb gleich zur Sache: „Es ist ein seltsames Gebilde, so ein Zaun, oder? Der Nachbar errichtet einen, und aus einem Großenganzen werden zwei Teile … Es gibt dabei nur ein Problem: Die Person auf der einen Seite hat den Zaun entworfen … und auch aufgebaut und sogar dafür bezahlt. Trotzdem bekommt die andere Person einen wunderschönen Zaun ganz umsonst.“

„Ich“, erwidert Westinghouse, „habe Ihnen Ihre Idee nicht weggenommen.“

Die Idee ist natürlich die Glühbirne. Und dann stellt Westinghouse eine Frage, die Edison verwirrt; es fällt ihm sichtlich schwer zu verstehen, dass ein Mann wie Westinghouse eine solche Frage überhaupt stellen kann.

Wenn diese Frage heutzutage auch allzu abgegriffen scheint (weil einfach zu oft und bei allen, also auch bei unpassenden Gelegenheiten gestellt), ist es doch eine Frage, die man einem Künstler stellt und nicht einem Erfinder.

Begegnung auf der Weltausstellung

„Ich habe mich gefragt“, so Westinghouse, „wie es sich anfühlte … das mit der Glühlampe … als Sie’s wussten. Was war das für ein Gefühl in diesem Moment?“

Die Erwiderung Edisons ist zweifellos der schönste Moment dieses Films – aber auch noch sehr viel mehr. Edison schildert, ganz an der Oberfläche des Technikers bleibend, wie man über Jahre hinweg Tausende, ja Zehntausende von Glühfäden probiert und keiner von ihnen je länger als 10 Minuten durchgehalten hat. Aber dann kam eben der eine, der alle anderen übertraf: 20 Minuten, 40 Minuten, eine Stunde, 10 Stunden … und schließlich über 13 Stunden.

Er, Edison, ist sich dessen nicht bewusst, aber er schildert hier einen künstlerischen Prozess: Wo besteht hier noch ein Unterschied zu einem Bildhauer, der aus einem Steinblock ein Porträt schlägt? Der Künstler sieht in dem ungeformten Block bereits das Endergebnis, die Statue, das Bildnis, die Büste. Woher etwa wusste Edison, dass es ein Material gibt, das länger als ein paar Minuten durchhält? Oder dass es überhaupt ein Material gibt, das sich als Glühfaden eignet?

Die Mimik von Westinghouse, drückt all diese Fragen, während Edisons Monolog, sehr beredt aus. Nachdem Edison zu Ende gekommen ist, bemerkt Westinghouse: „Ich glaube, es könnte eine Lösung sein, wenn man die Kosten für den Zaun teilen würde. Oder wenn man ihn gar nicht erst errichtet. Ihr Garten wäre dann doppelt so groß, nicht wahr, Tom?“

Edison braucht lange, bis er darauf etwas erwidern kann, dann nickt er andeutungsweise, schließlich: „Es war mir ein Vergnügen. Genießen Sie die Ausstellung, George.“

Fazit: Die Glühlampe wird hier zu David, Edison zu Michelangelo. Und Westinghouse zu Lorenzo de Medici.

The Midnight Sky (USA 2020)

Drei Wochen nach der Apokalypse – hier schlicht als „das Ereignis“ bezeichnet – hält sich Augustine Lofthouse allein in einem arktischen Observatorium auf. Vermutlich ist er der letzte Mensch auf Erden, denn das Ereignis hat die Menschheit (wieder einmal) dahingerafft; was das Ereignis denn nun war, teilt uns der Film The Midnight Sky (Drehbuch: Mark L. Smith, Regie: George Clooney) nicht mit.

Als die Station evakuiert wurde, blieb Lofthouse freiwillig auf ihr zurück, um eine sozusagen letzte Aufgabe zu erledigen: Die Besatzung der Aether davor zu warnen, zur Erde zurückzukehren. Er versteht das als seine Pflicht, denn er war es, der die Mission dieses Raumschiffs einst entworfen hat. Die Aether war vor Jahren nach K-23 aufgebrochen, einem „Planeten“ (wie immer wieder behauptet wird), der um Jupiter kreist und Hoffnung machte, dass er eine zweite Heimat für die Menschheit werden könnte. Jetzt befindet sich die Crew auf dem Rückweg zur Erde – zur toten Erde, aber das weiß die Crew nicht. Lofthouse will sie zur Umkehr – also zurück nach K-23 – bewegen.

Daraus könnte man ja durchaus nicht nur einen spannenden, sondern sogar einen halbwegs tiefgründigen Science Fiction-Film machen. The Midnight Sky schafft leider weder das Eine noch das Andere.

Der Film plätschert einfach dahin. Und mehr als einmal hat man den Eindruck, dass er das verdammtnochmal will. Die Macher halten das für cool, also für künstlerisch wertvoll. Man schneide möglichst lange Takes, möglichst viele davon hintereinander – dann kommt irgendwie, irgendwann schon etwas dabei heraus. Scheiß auf Plot oder Charaktere. Hauptsache irgendwas mit Langsamkeit. Immerhin kommen auf diese Weise – und das muss man neidlos anerkennen – viele schöne Bilder zustande.

Ab 1:09 (nach einer Stunde und neun Minuten) produziert der Film sogar sensationell schöne Bilder. Der Aether nähert sich ein Meteoriten-Schwarm, also Kleinkörper, die, sind sie nur groß und/oder schnell genug, die Hülle des Schiffs durchschlagen. Es wird ein Außenteam zusammengestellt, das die schon entstandenen Schäden ausbessern soll. Vermutlich hat man noch nie eine Crew vor so großartiger Kulisse agieren sehen. Leider ist das schon nach ein paar Minuten wieder vorbei.

Schöne Kulisse …

Aber selbst diese Szene zeigt nicht, was aus diesem Film hätte werden können. Denn 1. hat sie nichts mit dem Plot zu tun (sie ist einfach nur schön anzuschauen), 2. gelingt es dem Film nicht einmal da, dass man mit den Charakteren mitgeht und 3. kann sich der Film auch hier das EVA-Klischee nicht verkneifen (ein Astronaut kommt beim Außenbordmanöver [= EVA] um, so wie hier und hier und …)

Auch in astronomischen Details fällt eine gewisse Schludrigkeit auf. So etwa wird K-23 als ein neu entdeckter Jupitermond vorgestellt – im Film ständig als „Planet“ bezeichnet, was aber nicht das Problem darstellt. Das ist vielmehr, dass dieser Mond offenbar für menschliches Leben geeignet ist, was dann aber bedeutet, dass er eine gewisse Masse aufweisen müsste. Die mindestens so groß wäre wie die Masse der bisher bekannten vier großen Jupitermonde. Und das hieße, dass er schon seit Jahrhunderten von der Erde aus beobachtbar wäre und keinesfalls eine Neuentdeckung darstellen könnte. – Und als sich die Astronauten für die erwähnte EVA bereitmachen, äußert eine Astronautin ihre Bewunderung über den Ausblick, der sich ihr bietet; der Film schneidet, um das zu illustrieren, das riesige Bild einer ganzen Milchstraße rein. Wir sind aber im Sonnensystem, und da passt nicht einmal ein zweiter Stern zwischen Jupiter und der Sonne. Alles das sind vielleicht nur Kleinigkeiten, aber in Summe findet harastos sie einfach nervig.

Fazit: Lauter Halbheiten: keine richtige Astronomie, keine richtigen Charaktere, kein richtiger Plot. (Nur ein paar schöne Bilder.)

Lucy in the Sky (USA 2019)

Lucy, die Astronautin, die gerade von einem Flug mit dem Space Shuttle zurückgekehrt ist, findet sich im profanen Leben auf der Erde nicht mehr heimisch. Alles ist schal, langweilig, absehbar. Leider fällt Lucy in the Sky (Drehbuch Brian C. Brown & Elliott DiGuiseppe; Regie Noah Hawley) wenig mehr ein, als diese Leere mit Bildern belangloser Szenen und Dialogen zu illustrieren. Da fällt es mitunter schon schwer, dabei zu bleiben …

Aber nach etwas über einer Stunde wacht man plötzlich auf. Lucy sitzt mit ihrem Liebhaber Mark, ebenfalls Astronaut, auf dessen Veranda. Sie sprechen über Liebe, Sex und ihren Job. Der Dialog gipfelt in Marks Analyse ihres Zustands:

Natalie Portman and Jon Hamm in the film LUCY IN THE SKY. Photo by Hilary B. Gayle. © 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation

„Du warst im Weltall. Und hast diese gewaltige Unendlichkeit des Himmels gesehen; und es hat dich um den Verstand gebracht. Und jetzt ergibt nichts mehr einen Sinn. Aber das gute alte Hirn … tja, das Hirn weiß nicht, dass du eine existenzielle Krise hast, und will nur, dass wir ficken. Weil es sich gut anfühlt. Also konzentrierst du dich darauf. Auf dieses Gefühl, weil es sich echt anfühlt.“

Die Szene endet damit, dass sie von ihm mehr von „diesem Gefühl“ will. Danach sind wir dabei, wie Lucys Geist, immer diesem Gefühl hinterher, langsam zerfällt. Am Ende steht sie auf einem Dach, bereit zu springen. Oder zu fliegen …

Aber selbst bei diesem Abstieg ins Finstere bleibt der Film sich treu: Viel Leerlauf, quasi ein gemütliches Dahingleiten in nie ganz stimmigen Metaphern und Sentenzen. Aber Leere durch Leere abzubilden, ist selten eine gute Idee.

Fazit: Ein mittelmäßiger Film mit genau einem großen Moment.

Gefährliches Spiel (Graphic Novel)

Der Wettlauf zwischen den USA und der Sowjetunion, wer den ersten Satelliten ins All schießt: das ist Thema der zweiteiligen Graphic Novel Gefährliches Spiel. Dazu gibt es zweifellos nichts Neues mehr zu sagen, aber als Hintergrund für eine spannende Spionagegeschichte, wie sie der Klappentext beider Bände ankündigt, eignet sich dieses Szenario des Kalten Krieges gegen Ende der 1950er Jahre hervorragend.

Gefährliches Spiel (Band 1 + 2)
Jeu des Dames
Text: Toldac
Zeichnung: Philan
Coloration: Scarlett Smulkowski
Deutsche Übersetzung: Annabelle Steffes-Halmer
Verlag: Panini
Erschienen im März 2017 (Bd. 1) und September 2017 (Bd. 2)

Schon der erste Satz, der nur dazu dient, den Ort einzuführen, wo alles begann, lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob das gut geht: „Peenemünde, Juni 1943“, heißt es da, „Heeresversuchsanstalt … für die Raketen V1 und V2 unter Leitung von Wernher von Braun.“ V2 war eine Rakete, lief aber im Juni 1943 noch unter anderer Bezeichnung. Die V1 aber war keine Rakete, sondern das, was man heute eine autonome Drohne nennen könnte: ein Flugkörper mit Antrieb und automatischer Zielerfassung, gefüllt mit einer Tonne Sprengmittel. Nun ja, das sind Details, die nicht wirklich interessieren müssen. Außerdem, und das ist das Tröstliche: Beide Maschinen, V1 wie V2, wurden von Rückstoßtriebwerken angetrieben. Seien wir also großzügig und lassen den Ausdruck „Raketen“ durchgehen.

Das erste Bild, das zum ersten Satz gehört, zeigt – in Halbtotale – Wernher von Braun und Hugo Ebeling (den Helden der Story). Hugo sagt: „Tut mir Leid, Wernher …“ Im Vordergrund sieht man links ein Aggregat 4 (wie die V2 im Juni 1943 noch hieß), an dem sich ein Techniker zu schaffen macht. Der Maschinenraum ist geöffnet. Die Leiter, auf der der Techniker steht, verbreitet schon ein bisschen viel an simplem Heimwerker-Charme. Das ist nicht falsch. Trifft es aber auch nicht so ganz.

Im zweiten Bild sehen wir dann Wernher von Braun in Großaufnahme. Er beschwört Hugo, doch zu bleiben, weil er einer der Besten sei und so weiter. Und das gezeigte Gesicht hat, wenn auch nicht ganz bestimmbar, durchaus etwas vom jungen von Braun …

Im Hintergrund sieht man, wie Uniformierte Häftlinge drangsalieren. Sowohl die Uniformierten als auch die Häftlinge sind sehr unspezifisch gezeichnet. Von Braun will wissen, warum Ebeling ihn verlassen will. Ebeling deutet nur auf die Szenerie und sagt in Großbuchstaben und mit Ausrufezeichen: „DAS!“

Ebeling verlässt Peenemünde und geht in den Widerstand. In den letzten Tagen des Deutschen Reiches lernt er Eva kennen; in einer Kirche schwören sie sich im April 1945 „ewige Treue“. In den Wirren des Untergangs kommt sie, so jedenfalls scheint es, bei einem Bombenangriff ums Leben (bei dem er selbst etliche Granatsplitter abbekommt).

Sprung ins Jahr 1955. Ort: Das Redstone Arsenal in Huntsville, Alabama, wohin das Wernher-von-Braun-Team mittlerweile umgezogen ist; von Braun selbst hat erst vor wenigen Wochen die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten. Und Hugo Ebeling, nach 1945 von der US Army angeworben, arbeitet dort seit einigen Jahren wieder unter von Braun.

Der Klappentext des 1. Bandes stellt diesen Umstand – Ebeling, der als ehemaliger Widerstandskämpfer erneut für Wernher von Braun arbeitet – besonders heraus. Bietet sich ja auch an, anhand zweier Personen, ehemaliger Freunde, die zwar altbekannte, aber stets aufs neue fesselnde Geschichte von Loyalität und Verrat zu erzählen. Seltsamerweise geschieht das hier nicht (der Klappentext läuft damit quasi ins Leere). Bruchlos pflegen sie ihre Freundschaft weiter. Von Braun unterstützt Ebeling sogar, als dieser – im Laufe der weiteren Handlung – ins Visier der CIA gerät.

Die technischen Entwicklungen hin zum ersten Satelliten werden im Schnelldurchgang, aber stets durch ein paar kleine szenische Dialoge dargestellt: Da erfährt von Braun, dass das Vanguard-Projekt dem seinen vorgezogen wird, was ihn zu der Bemerkung veranlasst: „Aber das werden sie noch bedauern, da bin ich mir sicher.“ Oder, ein Jahr später: Von Braun informiert Hugo darüber, dass sie ihre Rakete nicht mit einer aktiven vierten Stufe starten dürfen. Eine Anspielung auf September 1956, als Huntsville bereits so weit war, einen Satelliten (einen sehr kleinen allerdings) in den Orbit zu schießen – mehr als ein Jahr vor Sputnik! -, was aber an den Rivalitäten zwischen Navy (Marine) und Army (Heer) scheiterte.

Alles in allem entspricht das alles auch dem tatsächlichen Ablauf der damaligen Ereignisse. Zu bekritteln gibt es allenfalls ein paar Details. Etwa die Behauptung, Vanguard sei aus patriotischen Gründen dem (von Braun’schen) Redstone-Projekt vorgezogen worden; das ist zwar nicht ganz falsch, doch ist es auch einen Tick zu einfach gedacht: Die Amerikaner wollten im Rahmen des zivilen Geophysikalischen Jahres keine Rakete als Satellitenträger, die offensichtlich militärische Wurzeln hatte. Davon betroffen war nicht nur die Redstone, sondern auch das von der amerikanischen Luftwaffe vorgestellte Atlas-Projekt, weil die Atlas-Rakete ursprünglich ebenfalls als militärischer Träger entwickelt worden war. Das Vanguard-Projekt lief zwar unter dem Dach der Marine, doch hatte die Rakete gleichsam keine militärische Vergangenheit und wurde deshalb vorgezogen.

Die wirkliche Stärke der zwei Bände liegt aber in der vom Klappentext versprochenen Spionagegeschichte. Sie wird in der zweiten Hälfte des ersten Bandes quasi unauffällig und peu à peu aufgebaut, kulminiert am Ende dann in einer Explosion, bei der eine der Hauptfiguren ums Leben kommt. Der zweite Band legt den Schwerpunkt dann ganz und gar auf die Spionagegeschichte. Raketen und Raumfahrt treten dadurch in den Hintergrund (was man bedauern mag, aber nicht muss), der Story aber tut das durchaus gut. Sehr stringent wird, betont durch den realistischen Zeichenstil (und die sehr stimmige Farbgebung), ein Plot durchgezogen, der zwar nicht wirklich originell sein kann – dazu sind die Spione der 50er Jahre literarisch und filmisch einfach zu sehr „abgegrast“ -, der aber immer genügend Verwicklungen bietet, um bis zum Ende dabeizubleiben.

The Aeronauts (USA 2019)

Es wird hier vielleicht die älteste aller Geschichten erzählt: die vom Unterschied zwischen Bauch und Hirn. Und wie die meisten dieser Geschichten geht auch die von The Aeronauts davon aus, dass beides zusammengehört, wenn man erfolgreich sein will.

Das Hirn wird hier, sozusagen standesgemäß, repräsentiert von James Glaisher. Dieser Glaisher hat tatsächlich gelebt; geboren 1809 in London, gestorben 1903 in Croydon (nicht weit von London entfernt). Ab 1838 leitete er die Abteilung für Meteorologie und Magnetismus der Sternwarte in Greenwich; 1849 wurde er Mitglied der Royal Society, und 1850 gründete er die englische Meteorologische Gesellschaft.

Berühmt im England der 1860er wurde er mit 28 Ballonfahrten, die er zwischen 1862 und 1866 unternahm, um Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und andere physikalische Daten der Atmosphäre in großen Höhen zu ermitteln. Begleitet wurde er dabei von Henry Coxwell, einem erfahrenen Ballonfahrer. Am 5. September 1862 erreichten sie eine Höhe von 8.800 Metern, was damals einen Weltrekord darstellte (der erst über 30 Jahre später überboten wurde).

Diese Fahrt ist es, die der Film, fast in Echtzeit, zeigt. Aber zwei Wissenschaftler auf wissenschaftlicher Mission war den Machern (Drehbuch: Jack Thorne, Regie: Tom Harper) wohl nicht spektakulär genug, und so pumpen sie den Plot im Dienste der Dramaturgie auf und schrecken dabei auch nicht vor plumpen Verfälschungen zurück.

Es fängt schon damit an, dass Coxwell im Film rausfällt und ersetzt wird durch die fiktive Figur der Amelia Wren, die dann aber die gleiche Funktion erfüllt: die des erfahrenen Piloten. Und es geht damit weiter, dass Glaisher zum Zeitpunkt der geschilderten Fahrt bereits 53 Jahre als war; im Film sieht man aber einen Mann in den Dreißigern. Außerdem war Glaisher längst wissenschaftlich etabliert; der Film stellt ihn dar als einen Rebellen, der einen Kampf gegen das verknöcherte wissenschaftliche Establishment des Empire oder zumindest der Royal Society austrage. Und zu schlechter Letzt: Die betreffende Ballon-Fahrt war, wie im Film dargestellt, keineswegs seine erste, sondern bereits seine siebte. Er verfügte also über eine gewisse Erfahrung als Höhenforscher, sodass die Bredouille, in die er im Film gerät, kaum passiert wäre. Aber natürlich geht’s auch dabei nur um einen dramatischen Kick, der es Amelia Wren ermöglicht, ihn – vor wundervoller, sozusagen himmlischer Kulisse – zu retten.

Von den „true events“, von denen im Vorspann die Rede ist und die die Amazon Studios, für die der Film produziert wurde, auch bewerben, bleibt also, genau genommen, nur der Name James Glaisher übrig. Alles drum herum ist … frei erfunden. Warum man dann aber nicht gleich alles erfindet – Personen wie Story – hat Harastos noch immer nicht verstanden.

Fazit: Eine solide, wenn auch nicht sehr aufregende Abenteuergeschichte um zwei Personen in einem Ballon. Die Bilder allerdings sind – das muss gesagt werden – wunderschön.