Der Europa Report (USA 2013) berichtet von der Mission des Raumschiffs Europa One, das in näherer Zukunft mit einer 6-köpfigen Besatzung Richtung Jupitermond Europa aufbricht. Europa gilt (auch in unserer Gegenwart) als einer von zwei verbliebenen Himmelskörpern im Sonnensystem, auf denen so etwas wie primitives Leben entstanden und auch heute noch existieren könnte (der zweite, allerdings weniger vielversprechende Kandidat ist Titan, ein Mond des Saturn). Europa ist etwas kleiner als der Erdmond, hat aber eine etwas größere Masse als dieser. Die Oberfläche, auf der es kaum Erhöhungen gibt, ist mit einer dicken Eisschicht bedeckt, unter der ein riesiger Wasserozean vermutet wird. Und „überall“, so ein Wissenschaftler des Projekts, „wo wir bislang Wasser fanden, da fanden wir auch Leben“.
Nach dem Start von Europa One „verfolgte die Welt für mehr als sechs Monate jeden einzelnen Augenblick“ der Mission. Dann reißt, für 15 Stunden, der Kontakt ab. Der Film nutzt das sozusagen für eine (erste) Rückblende: Man sieht den Missionsverlauf vom Start der Rakete, die die Besatzung zum Raumschiff Europa One bringt, das offenbar im Erdorbit zusammengebaut wurde, bis zu dem Moment, wo die Kommunikation mit der Erde zusammengebrochen ist. Dabei verfolgt man das Geschehen sowohl im Raumschiff als auch das in Mission Control oder bei Pressekonferenzen auf der Erde.
Nach fast 20 Minuten Filmzeit kommt man wieder bei dem Moment an, wo der Kontakt zur Erde abriss. Es folgt zunächst eine erneute Rückblende, die uns die an der Mission beteiligten Astronauten etwas näher vorstellt. Die gezeigten Clips erinnern stark an entsprechende NASA-Texte und/oder -Filmchen. Das ist zwar nicht sehr originell, aber die Schauspieler treffen exakt den richtigen Ton (auch ihre Sprecher in der deutschen Synchro), der sie nicht so klingen lässt, als würden sie Astronauten, Wissenschaftler oder Techniker bloß spielen. Und Drehbuch (Philip Gelatt) und Regie (Sebastián Cordero) unterstützen sie da auch (noch). Selbst das Pathos klingt da noch überzeugend: „Sollte da Leben existieren auf Europa“, so eine Astronautin, „dann wäre das mit Abstand die bedeutendste Entdeckung der Menschheitsgeschichte.“ Das erinnert ein wenig an Allie Arroway in Contact. Auch ansonsten klingt das glaubwürdig und sieht auch so aus, wie man sich eine bemannte Mission vorstellt und wie man ja auch schon viele gesehen hat: sowohl filmisch (von 2001 bis Marooned, von Apollo 13 bis Gravity) als auch realiter (etwa Apollo oder ISS).
Aber zunehmend sieht und hört man auch, dass man das alles schon tausendmal gesehen und gehört hat. Und vor allem: dass der Film nichts Neues oder Originelles oder auch nur irgendetwas Anderes hinzufügen kann. Es wird viel geredet von der Schönheit und Stille des Weltraums, vom Sinn des Lebens im Allgemeinen und vom erhabenen Forscherdrang des Menschen. Im Handlungsfaden darf natürlich auch der bei solchen Filmen schon fast obligatorische Todesfall bei einem Außenbordmanöver nicht fehlen. Alles das wird erzählt aus der Perspektive diverser Bordkameras, auch wenn dieses Footage-Prinzip nicht ganz so penetrant durchgezogen wird wie in Cloverfield oder Apollo 18, lässt es den Film doch immer mehr zerfasern. Noch schlimmer ist, dass die imgrunde sehr einfache Geschichte – Forscher brechen auf, um das erste Leben außerhalb der Erde zu finden – in immer neuen, teilweise ineinander verschachtelten Rückblenden ausgebreitet wird. Da entsteht schon der Eindruck, als habe Sebastián Cordero die Schlichtheit der Story mit komplizierter Schnittfolge aufgemotzt, damit’s am Ende nicht ganz so simpel daherkommt.
Unangenehm fällt auch die völlig abstrichlose Verherrlichung des menschlichen Forschergeistes auf, der immer wieder beschworen wird. „Verglichen mit dem Wissen, das es zu entdecken gilt“, fragt eine Astronautin rhetorisch, „was bedeutet da dein Leben?“ Ist das so? Zählt ein Menschenleben wirklich nichts mehr, wenn nur der erwartete Erkenntnisgewinn groß genug ist?
Fazit: Der Film hat durchaus seine großen Momente, etwa die ersten 20 Minuten oder die Totalaufnahmen des Jupitermondes Europa (zusammenmontiert aus realen Aufnahmen der NASA, die dem Regisseur das Filmmaterial zur Verfügung stellte), verfranzt sich aber am Ende in einer unnötig komplizierten Schnitttechnik, die nicht der Story dient, sondern eher ihrer Verschleierung.
Ergänzung: Vor einigen Wochen wurde in der wirklichen Welt von der europäischen Weltraumagentur ESA die Finanzierung von JUICE genehmigt. Der Start der (unbemannten) Mission ist für das Jahr 2022 geplant. Es sollen alle vier großen Jupitermonde, also auch Europa, näher untersucht werden.
In Deutschland wurde der Europa Report am 22. Oktober 2013 als DVD veröffentlicht (im Kino wurde er nicht gezeigt). Einen deutschen Trailer gibt es hier.
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