Die Vorteile liegen auf der Hand: Wenn man den Menschen verkleinert
(auf etwa 12½ cm), verbraucht er erheblich weniger Ressourcen. Das reduziert
erstens die Müllberge, und führt zweitens dazu, dass die eigenen, angesammelten
Ressourcen, sprich: Ersparnisse, im Wert erheblich steigen, denn es ist natürlich
erheblich billiger ein Haus für einen so verkleinerten Menschen zu bauen als
für einen Normalgroßen. Diese Erhöhung des Lebensstandards ist das Hauptmotiv
von Paul und Audrey Safranek, sich der (unumkehrbaren) Prozedur des Downsizings
zu unterziehen.
Die Prozedur des Downsizings
Doch während des langwierigen Prozesses, so müssen alle
künstlichen Teile im menschlichen Körper,
zu denen etwa auch Zahnplomben gehören, entfernt werden, bekommt Audrey kalte
Füße und kneift, sodass sich Paul Safranek allein im Leisure Park wiederfindet.
Der allerdings ist eine perfekte Welt en miniature: überall (relativ
gesehen) riesige Parkanlagen, großzügige Highways, Palast- statt simple
Wohnbauten, beste Sportstätten, kostenlose medizinische Versorgung auf höchstem
Niveau und so weiter.
Dass eine
solche Welt nicht ganz so perfekt sein kann, wie es scheint, ist naheliegend, und
so gerät Paul Safranek nach rund einer Stunde Filmzeit auch in das Slum-Viertel
des Leisure Park. Das „Paradies“ ist damit abgehakt, verschwindet aus dem Film.
Der „sozialen Frage“ ergeht es wenig später genauso; irgendwann interessiert
sich der Film einfach nicht mehr dafür. Statt dessen ist plötzlich Doomsday
angesagt, das heißt das „Ende von allem“ aufgrund der „Methanfreisetzung in der
Antarktis“. Über diesen (absurden, aber todernst beschworenen) Öko-Turn
verschwindet dann sogar die Ausgangsidee, die Schrumpfung. Nein, eigentlich offenbart
sie sich als bloßer CGI-Gimmick, mit dem Autor (Jim Taylor) und Regisseur (Alexander
Payne) von Anfang an nicht viel anfangen konnten. Dass mittendrin noch eine
Liebesgeschichte begonnen wird, vervollständigt nur das allgemeine Plot-Chaos des
Films.
Nach zwei (sehr langen) Stunden hat man einen
Film gesehen, der die behandelten Themen weder für sich allein halbwegs
glaubwürdig darstellen kann oder will – und leider auch nicht dazu imstande
ist, sie zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen.
Fazit: Viele Anfänge, viele lose Enden. Nichts
dazwischen.
Zugegeben, der Ausgangspunkt der zehnteiligen TV-Serie For all Mankind ist faszinierend: Es waren nicht die Amerikaner, die Ende der 60er Jahre die erste bemannte Mondlandung zuwege gebracht haben. Sondern die Sowjets. Auf dem Mond geht also tatsächlich die rote Fahne hoch – um einen alarmistischen, aber verbürgten Ausspruch Wernher von Brauns aus den frühen 60ern zu zitieren.
Es beginnt – beinahe schon obligatorisch, wenn es um die
Mondlandung geht – mit einem Ausschnitt der Rede, die John F. Kennedy im Mai
1961 vor dem Kongress gehalten und mit der er seine Nation aufgefordert hat,
einen Menschen zum Mond und wieder sicher zurückzubringen. Obwohl schon 1000
Mal gehört, ist es immer wieder faszinierend, die Geburt des (realen) Unternehmens
bemannte Mondlandung mitzuerleben.
In diesem Quasi-Vorspann sehen wir im Anschluss an die
Rede die berühmten Bilder, wie John F. Kennedy Seite an Seite mit dem heute so ungeliebten
Wernher von Braun (wozu wir noch kommen) durch die noch im Bau befindliche,
gigantische Mond-Logistik schlendern; mehrmals sieht man (den echten) von Braun
groß im Bild, dabei sogar JFK überstrahlend. Zwei Männer Hand in Hand
sozusagen.
Es folgt dann die Fernsehübertragung der fiktiven ersten
bemannten Mondlandung: Russische Kosmonauten absolvieren, natürlich in
russischer Sprache, ihren ersten Mond-Ausflug; der amerikanische Sender muss
erst einen Dolmetscher auftreiben, um das dem amerikanischen Zuschauer
nahezubringen. Aus dem realen „großen Sprung für die Menschheit“ wird das
fiktive „Ein kleiner Schritt, der uns einst zu den Sternen führen wird …“
In der ersten Episode erleben wir dann noch die amerikanische Apollo-11-Mission mit, die ja nun nur noch die Geschichte der zweiten bemannten Mondlandung ist. Und der Zweite ist bekanntlich der erste Verlierer … Um das Ganze aufzupumpen, das heißt noch halbwegs spannend erscheinen zu lassen, geht der Kontakt zu Eagle, der Mondlandefähre, kurz vor der anstehenden Landung verloren. Vier Stunden kann kein Kontakt zu Eagle hergestellt werden. Richard Nixon, der Präsident, bereitet eine Rede an die Nation vor, in der er dieser den Worst Case verkünden will: den Verlust von Apollo 11. Doch bevor es so weit kommt, meldet sich Eagle zurück. Was in den vergangenen vier Stunden geschehen ist oder geschehen sein könnte – darüber erfährt man … nichts. (Und in der Raumfahrt sind schon vier Minuten eine verdammt lange Zeit.)
Aber die Sowjets brachten nicht nur die erste Crew auf
den Mond, nein, es war noch schlimmer, denn in dieser ihrer Crew befand sich
auch eine Frau. Und so folgt das Unvermeidliche: Nixon besteht darauf, dass
auch Amerika eine Frau zum Mond bringt. Wir erleben also Altbekanntes noch
einmal, nur dass es diesmal Frauen sind, die – eine ganze Episode lang – durch
die Hölle der Astronautenausbildung gehen. Und mit Apollo 15 landet dann auch endlich
die erste Amerikanerin auf dem Mond. Die Schilderung der Mission, ebenfalls
sehr ausführlich, wirkt seltsam uninspiriert; ständig wird Spannung künstlich erzeugt,
in die Länge gezogen, dann ebenso künstlich zum Höhepunkt geführt und
schließlich in Wohlgefallen abgeführt.
Harastos, bereits mürbe gemacht und zynisch geworden,
ist fast erleichtert, als mit Beginn der 6. Episode sich die Katastrophe Bann
bricht. Wir schreiben den 24. August 1974 und befinden uns im Kennedy Launch Control.
Auf dem Bildschirm sehen wir die riesige Saturn V mit Apollo 23 (!) an der
Spitze; die Astronauten sind in der Kapsel festgeschnallt und erwarten den
Start. Dann explodiert die Rakete in einem gigantischen Feuerball. Das
Rettungssystem der Apollo-Kapsel kann die Astronauten in Sicherheit bringen,
doch 12 Techniker kommen in der Flammenhölle um.
Die Ursache für dieses Unglück wird schnell gefunden:
Eine Strukturschwäche im LH2-Ventil der Saturn-Rakete. Der Abschlussbericht des
Untersuchungs-Ausschusses, der zu diesem Ergebnis gekommen ist, befindet sich
in der Hand von Wernher von Braun, der ihn aber nicht direkt Weisner, dem
NASA-Chef, übergeben will. Stattdessen händigt er ihn Margo Madison aus, deren
Mentor er war, bevor sie sich von ihm, sagen wir: distanzierte.
Anlass dafür war, natürlich, von Brauns Vergangenheit. Sie nennt ihn einmal – mit dem (heute ja allgegenwärtigen) moralischen Impetus der nachgeborenen Jugend – einen „Kriegsverbrecher“. Sie tut das Weisner gegenüber. Der sie jedoch kühl darauf hinweist, dass sie mit dieser Ansicht allein dastehe. Als von Braun in einer öffentlichen Anhörung vor dem Kongress mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird (Thema der 2. Episode), steht, quasi gewohnheitsmäßig, an erster Stelle der folgenden Anklagesuada seine Mitgliedschaft in der SS, der „Eliteorganisation der Nazis“. (Episode 2 beginnt im Übrigen mit einem faszinierenden Ausschnitt aus der legendären Disney-Produktion Man in Space von 1955, in dem von Braun, der echte, eine damals noch fiktive Mondrakete erklärt.)
Darauf von Braun, nach längerem Zögern (und
wahrheitsgemäß): „In der Angelegenheit hat man mir keine Wahl gelassen.“
Es wird ein Gruppenfoto mit Führer eingeblendet, auf dem
von Braun, rot eingekringelt, in der hintersten Reihe und in Zivil gekleidet
steht.
Im Folgenden geht es dann um die Frage, ob bzw. wie viel
er von den Zuständen im Mittelbau-Dora (der Fertigungsstätte der V2) wusste. Von
Braun weist, und auch das entspricht der historischen Wahrheit, wiederholt
darauf hin, dass er „dort nicht wirklich etwas zu sagen“ hatte. Das nützt ihm
jedoch wenig. Er wird abgesägt, verschwindet bis zur 6. Episode aus der Serie. Nach
der Anhörung sagt er zu Margo Madison, worum es aus seiner Sicht wirklich
gegangen ist: „Jetzt bin ich ein alter Mann und nicht länger unentbehrlich. Sie
werfen mich den Wölfen zum Fraß vor.“
Und in der 6. Episode stehen sich von Braun und Margo
Madison wieder gegenüber. Bevor er ihr den Abschlussbericht zur
Apollo-23-Katastrophe aushändigt, erklärt er ihr, warum sie beruflich bei der
NASA nicht weiterkommt. (Am Anfang der Episode wird eine Konkurrentin als erster
weiblicher Flugleiter eingeführt.) Es liege nicht an ihrer fachlichen oder
intellektuellen Qualifikation, sondern – von Braun ist da sehr direkt – an
ihrer mangelnden Teamfähigkeit. Und als sie den Berichtsordner in Empfang nimmt,
bemerkt er: „Du hältst den Schlüssel für deinen Erfolg in diesem Moment in den
Händen.“
Natürlich versteht sie es nicht. Wernher von Braun, der
fiktive, hilft ihr auf die Sprünge. Seine Ausführungen laufen auf die Frage
hinaus: Warum versagte das LH2-Ventil? Aufgrund eines simplen
Fertigungsfehlers, wie Margo Madison meint? Natürlich. Aber für von Braun ist
das nicht das Wesentliche. Der tiefere Grund ist nicht technischer, sondern
politischer Natur. Denn er hat im Zuge seiner Untersuchungen festgestellt, dass
die Fertigung des Ventils einer anderen Firma übertragen wurde. Und zwar einer
Firma, die in einem Wahlkreis liegt, der für die Wahl des aktuellen Präsidenten
wichtig war. Die Fertigungsqualität spielte also eine untergeordnete Rolle;
wichtiger war es, eine Wahl zu gewinnen.
Darauf Margo Madison: „Das löst einen Sturm der
Entrüstung bei der NASA aus. Und im Kongress. Und im Weißen Haus …“
„Sofern“, bemerkt von Braun und kommt damit zum Kern, „sofern
es öffentlich wird …“
Sie versteht noch immer nicht.
„Die einzige Frage, die bleibt, ist: Wer kann von dieser
Situation profitieren?“ Und mit dem folgenden Satz umzingelt er sie gleichsam,
ohne sie aber in irgendeiner Weise zu drängen; er überlässt das Verstehen ganz
und gar ihr selbst. „Jedes politische System hat Schwächen und jede Bürokratie
ist korrupt.“ Sein Blick hält sie dabei sanft lauernd fest und wartet geduldig
darauf, dass sie endlich versteht.
(Dieser Dialog, auch seine deutsche Version, zwischen
Margo Madison und Wernher von Braun – 6. Episode, Minute 42:00 bis etwa 49:30 –
ist eine der beeindruckendsten Szenen der ganzen Serie. Sie lässt etwas von dem
legendären „Charme“ des echten Wernher von Braun ahnen. Für viele, die ihn
kannten, war das eine seiner herausragendsten Eigenschaften: Wenn man mit von
Braun irgendein ungelöstes Problem diskutierte, dann hatte man am Ende den
Eindruck, dass er erstens die Lösung schon von Beginn an kannte und zweitens trotzdem
nicht das Gefühl, als wäre man gerade belehrt worden, sondern hätte aktiv an
der Lösung mitgearbeitet.)
Und Margo Madison hat verstanden. Die
bisher so moralisch Integere geht mit dem Bericht zu Weisner, aber nicht, damit
der ihn öffentlich macht. Sondern um ihn damit zu erpressen. Und schon wenig
später ist sie – Flugleiterin.
Diese 6. Episode – die beste der Serie (Drehbuch: Stephanie Shannon, Regie: Sergio Mimica-Gezzan) – stellt fast einen Neustart der Serie dar, denn die bis dahin gepflegte politische Correctness wird schon durch den „Abfall“ Margo Madisons entlarvt. Verschärft wird das Ganze noch dadurch, dass bei dem politischen Geschacher um NASA-Produktionsstätten das Equal Rights Amendment (ERA) eine Rolle spielt; es verlieh der Gleichbehandlung von Mann und Frau Verfassungsstatus (in unserer Zeitlinie ist das ERA gescheitert). Die Serie wird sogar noch deutlicher: In Episode 8 bemerkt ein Astronaut (männlich, weiß) zu einem anderen Astronauten (ebenfalls männlich und weiß) deprimiert: „Weißt du noch, wie es hier nur um eins ging? Wie gut du warst! Jetzt geht es nur noch um die Hautfarbe und was du zwischen den Beinen hast“. (Minute 11)
Leider ändert das alles wenig an der betulich-konventionellen
Machart der Serie als Ganzes. Dramaturgisch etwa wird immer wieder das gleiche
Muster abgespult: Spannung entsteht nicht, sondern wird ständig durch mehr oder
weniger taugliche Plot-Kniffs erzeugt und aufgeblasen. Und wenn alles nichts
mehr hilft, stirbt am Ende einer solchen Spannungsschleife jemand. (So endet
die letzte Episode mit dem Tod einer der Hauptfiguren.)
Trailer FOR ALL MANKIND (englisch)
Fazit:Sehr ambivalent. Einerseits positioniert sich die Serie (vor allem in der zweiten Hälfte) gegen den hohlen Mainstream-Correctness-Geist, der Menschen ausschließlich nach ihrer (biologischen) Abkunft und nicht mehr nach ihrem Können oder ihren Taten kategorisiert. Ein weiteres Beispiel für diesen kritischen Ansatz: Der „böse“ Präsident, der die ERA benutzt, um einen Wahlsieg zu erringen, ist kein Republikaner (wie Trump), sondern ein Demokrat, nämlich Edward „Ted“ Kennedy (der in unserer Zeitlinie nie Präsident war). Andererseits bleibt diese Kritik in Ansätzen stecken, wird zugeschüttet von einem langatmigen Plot, der einfach aus zu vielen absehbaren menschlichen Tief- und Höhepunkten besteht.
Vielleicht vertieft ja die zweite Staffel, die von AppleTV bereits in Auftrag gegeben wurde, bevor die Ausstrahlung der ersten Staffel überhaupt begonnen hatte, diesen Aspekt. Aber Harastos erlaubt sich da leise Zweifel: Über alle zehn Episoden sind Schnipsel eingefügt über ein raumfahrtbegeistertes Hispanic-Mädchen, sodass zu befürchten steht, dass in der 2. Staffel dann die Mondlandung noch einmal durchexerziert wird, nur diesmal eben mit Hispanics. Aber harastos kann sich auch täuschen …
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Harastos –
bekennender Apollo-Fan – das Besondere an dieser Dokumentation bemerkte: Es
gibt keine Off-Stimme, die das, was man sieht, erklärt oder kommentiert. Der
Film zur Mission Apollo 11, die am 16. Juli 1969 von Cape Kennedy in Florida
zur ersten bemannten Mondlandung aufbrach, besteht ausschließlich
aus zeitgenössischem Bild- und Tonmaterial, darunter auch neues, bisher nie
gesehenes Filmmaterial aus den (Un-)Tiefen des NASA-Archivs.
Todd Douglas Miller sichtete mit seinem Team Hunderte
Stunden von Film-, Video- und TV-Aufnahmen, rund 11.000 Stunden Audio-Aufnahmen
sowie Tausende von Standbildern und schnitt daraus einen 90-minütigen Kinofilm,
der in Form einer Live-Reportage die drei Astronauten Neil Armstrong, Buzz
Aldrin und Michael Collins auf ihrem Weg zum Mond und wieder zurück begleitet.
Der Film beginnt – sehr eindrucksvoll – mit dem
Transport der riesigen Mondrakete Saturn V vom VAB (dem Montagegebäude) zur Startrampe;
die Rakete steht dabei senkrecht auf dem Crawler, dem (bis heute) größten
Landtransportfahrzeug der Welt: Er misst 40 mal 35 Meter und wiegt über 2700
Tonnen (fast so viel wie die vollgetankte Rakete); die Höchstgeschwindigkeit
beträgt 3,5 km/h, der Verbrauch liegt bei knapp 300 Liter Diesel pro Kilometer.
Das Kennedy Space Center mit VAB und Saturn V
Die folgenden 35 Minuten haben nur eine Hauptdarstellerin,
um die sich alles dreht: die Saturn V. Zunächst gibt der Countdown den Rhythmus
vor: Techniker checken noch die Systeme der Rakete durch; die Astronauten werden
ihrerseits noch ein letztes Mal durchgecheckt, mit einem Fahrzeug zur Startrampe
gebracht, wo sie dann mit dem Lift 100 Meter bis nach oben an die Raketenspitze
zu ihrem Raumschiff fahren; schließlich werden sie im CM festgeschnallt. Die
Zuschauer am Kap, teilweise schon Tage vorher mit der ganzen Familie angereist,
bereiten sich jeder auf seine Art auf den großen Moment der Zündung vor. Auch
im Pressezentrum beherrscht die meisten Reporter aus aller Welt der Gedanke an
den historischen Moment der ersten Mission zu einem anderen Himmelskörper.
Nach 24 Filmminuten ist es so weit. Der Countdown geht
in die letzten, explizit angesagten Sekunden. Er beginnt bei 12 – dann 11
– 10 – 9 – und danach scheiden sich für gewöhnlich die Geister,
die verstanden oder nicht verstanden haben, wie der Countdown einer Saturn V
abläuft. Apollo 11hat es verstanden. Nach der 9
folgt der (immer) vollständig ausgesprochene Satz Ignition Sequence starts
– die Triebwerke zünden. Und das tun sie. Und wie sie es tun! Neun
Sekunden feuern sie bis zum Liftoff, dem Abheben der Rakete (das bei Null
erfolgt). Die fünf Triebwerke der ersten Stufe brauchen genau diese neun
Sekunden, um den Schub aufzubauen, der nötig ist, um die knapp 3000 Tonnen, die
die Rakete mit der gesamten Nutzlast wiegt, gegen die Erdschwerkraft zu
starten.
Nach dem Ignition Sequence starts folgt im Film
ein harter Schnitt: Völlige Stille; dann hebt sich in Superzeitlupe die Rakete
in die Höhe. Das Bild bleibt zunächst auf die Triebwerke fokussiert, öffnet
sich und zeigt die erste Stufe, dann die gesamte Rakete, die inmitten eines
Flammen- und Rauchmeers weiter steigt. Man hört den Satz We have a ignition.
Das Bild öffnet sich weiter: Von schräg unten sieht man der Rakete zu, wie sie
zunächst den Tower passiert, dann weiter in den Himmel Richtung Mond fliegt.
In noch keinem Film zuvor – sei es Faction oder Fiction – hat harastos einen erhabeneren Raketenstart gesehen.
Durch das Fehlen von Kommentaren oder so genannter
Talking Heads, erlebt man sich als Zuschauer (und -hörer) mitten in einer
Live-Reportage aus dem Sommer 1969 … Und auch bei den weiteren Etappen der
Mission hält der Film diese Als-wär-man-(aktuell-)mitten-drin-anstatt-nur-(später-)dabei-Perspektive
durch: beim Einschuss in die Mondbahn, bei der Landung auf dem Mond, dem
Ausstieg auf die Mondoberfläche, bei der EVA, dem Wiederaufstieg, dem Reentry,
der Wasserung im Pazifik.
Steigert sich schon die erste halbe Stunde zu einem
wahren Hymnus auf die Maschine – das heißt: auf die Maschine,
nämlich die Saturn V –, erweitert das der Film im Folgenden zu einem Hymnus auf
den Heldenmut der Astronauten, die Ausführenden, und der Techniker, die ihnen
das erst ermöglichen, kurzum: auf den menschlichen Forschergeist (auch die
menschliche Abenteuerlust), auf das, was möglich ist, wenn man sich nur dazu
entschließt.
Apollo 11 konzentriert sich auf das Beste im
Menschen, auf das, was aus ihm hätte werden können, wenn er sich nicht – im
Gefolge der 60er – selbst kasteit und kastriert hätte, indem er sich aus der
wirklich großen Raumfahrt verabschiedete, um sich auf den (vermeintlich)
billigeren Erdorbit zu beschränken. Ja, das Apollo-Programm war teuer und hatte
keinen unmittelbaren Nutzen (aber mittelbar machte Apollo zum Beispiel die
IT-Branche erst zu dem, was sie bis heute ist). Und der zeitgleich
stattfindende Vietnamkrieg kostete (mindestens) das Vierzigfache
und hatte weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Nutzen …
Fazit: Ein Hohelied in Bildern und Tönen auf die menschliche
Größe.
Auch wenn es (natürlich) so kommt, wie harastos (und andere) es vorhergesagt haben – nämlich, dass Soji zu den Organischen „überläuft“ –, ist das Staffelende von Star Trek: Picard dennoch kein plattes; was nicht nur daran liegt, dass es quasi zwei Enden gibt: eines, das den Haupt-Plot der Serie abschließt, und eines, das einem schon vor langer Zeit gestorbenen Hauptcharakter der Next Generation den längst überfälligen würdevollen Abschied zuteilwerden lässt.
Die ersten zwei Drittel der Episode stehen im Zeichen des
Haupt-Plots:
Soji ist dabei, eine Verbindung zur Allianz aufzubauen. Picards Leute versuchen, das zu verhindern, scheitern damit aber. Dann stellt Picard eine Verbindung zu Soji her und bietet ihr etwas an, von dem er hofft, dass es ihre Meinung ändert. „Und was“, fragt Soji zurück, „soll das sein?“ Darauf Picard: „Mein Leben! Picard Ende.“
Soji kennt die Geschichte Datas, der sein Leben für Picard geopfert hat (Star Trek: Nemesis). Doch zunächst, obgleich man sieht, dass sie sehr wohl beeindruckt ist, arbeitet sie weiter an der Herstellung des Kontakts zur Allianz. Aber Picard hat nicht „nur“ einfach sein Leben angeboten – er hat damit Grenzen eingerissen: Er stellt damit Datas Leben – das eines Androiden – auf die gleiche Stufe wie das seine – das eines Menschen.
Mittlerweile ist die romulanische sowie die terranische
Flotte eingetroffen; sie stehen sich im Orbit gegenüber. Als wäre das nicht
schon schlimm genug, treffen auch die ersten Boten der Allianz ein (in einem
von Soji aktivierten Wurmloch, Barke genannt).
Es folgt der Höhepunkt der Staffel, sozusagen das, was Star Trek (speziell TNG) ausmacht und immer ausgemacht hat. Picard will noch einmal über einen „offenen Kanal“ mit Soji sprechen, da er dazu aber gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, lässt er sich mit einem Medikament fit spritzen, einem Medikament, das, so Picard, „das Unvermeidliche (er meint den Tod) nur beschleunigt“.
Picard – kurz vor seiner Rede an Soji
Er wendet sich noch einmal direkt an Soji, appelliert an
das Menschliche in ihr: „Soji, bitte deaktivieren Sie die Barke und beweisen
Sie den Romulanern, wie sehr die sich in Ihnen täuschen.“ Der Oberbefehlshaber
der romulanischen Flotte hört aufmerksam zu, desgleichen der „amtierende
Captain“ der terranischen Flotte, William Riker. „Sie sind“, so Picard weiter,
„weder der Feind noch die Zerstörerin. Wenn die Romulaner das nicht überzeugt,
bekommen sie es mit der Föderation zu tun.“ Er versichert ihr, dass die
Föderation darauf vertraut, dass sie die richtige Entscheidung trifft. „Ich
vertraue darauf, Soji. Ich kenne Sie. Ich glaube an Sie. Aus
diesem Grund habe ich Ihr Leben gerettet, damit Sie jetzt im Gegenzug unseres
retten können.“ Man sieht, wie Riker zu grinsen beginnt; er kennt schließlich Picard,
den überzeugenden „Prediger“ des Humanen. Und Picard hat Erfolg: Soji
deaktiviert die Barke, und mehr noch: Die Romulaner deaktivieren ihre Waffen.
Doch nach dem Abzug der Flotten – sowie einem kurzen Geplänkel zwischen Picard und Riker – kollabiert Picard, und wenig später stirbt er in den Armen Raffis.
*
Im letzten Drittel der Episode (die fast eine Stunde
dauert) geht es um den Tod: den aktuellen Picards und den lange zurückliegenden
Tod Datas.
Nach einigen Szenen der Trauerarbeit – (fast) jede Hauptfigur der Serie bekommt Gelegenheit, Picards Tod zu verarbeiten – folgt ein (unerwarteter) Schnitt:
Quantensimulationen …
Wir sehen Picard (den Lebenden); er sitzt auf einer Art
Couch und erkundet den Raum, in dem er sich befindet. Als er zur Überzeugung
kommt, dass es nur „noch so ein verfluchter Traum“ sei, erscheint Data. „Nein,
Captain“, sagt er, „es handelt sich um eine extrem komplexe Quanten-Simulation.
Allerdings“, kommt er Picard entgegen, „stelle ich mir vor, dass dies von Ihrem
Standpunkt aus nicht allzu weit von einem Traum entfernt sein dürfte.“
Nach seinem Tod wurde Datas Bewusstsein in eine künstliche
Matrix transferiert, wo es seither sein Dasein fristet. Und das für alle
Ewigkeit, denn ein so konservierter Geist ist unsterblich. Um Tod versus
Unsterblichkeit dreht sich denn auch das folgende Gespräch zwischen Data und
Picard. Picard erfährt, fast nebenbei, dass er sich mit Data zwar in einer
Simulation befindet, er selbst aber keine ist. „Bevor Ihre Gehirnfunktionen
versagten“, erläutert Data, „konnten Dr. Soong und Jurati mit der Hilfe von
Soji ein vollständiges, komplett identisches Abbild Ihres neuronalen Substrates
erzeugen und übertragen.“
Bevor Picard in die Wirklichkeit zurückkehrt, äußert
Data einen Wunsch, den Picard zu erfüllen verspricht.
Auferstehung: Als Picard im Realen zu sich kommt, lautet
seine erste Frage. „Bin ich echt?“ Soji versichert, dass dem so sei. Das
allerdings stimmt nicht ganz, denn nur der Geist Picards, seine Erinnerungen,
sein Wissen und so weiter sind „echt“. Der Körper jedoch ist künstlich
hergestellt, das Gehirn eine positronische Matrix. In der zweiten Staffel – die
bereits in Arbeit ist – wird Picard also als Android wiederkehren.
Ausklang: Nachdem das Wiedersehen Picards mit den Seinen
plus einem kurzen Update zu seiner neuen „Hülle“ abgeschlossen ist, erinnert er
sich an Datas Wunsch: „Ich muss ein Versprechen erfüllen.“
Während er selbst – wegen des Androidenkörpers – ein paar Jahrzehnte hinzugewonnen hat (theoretisch sogar die Unsterblichkeit), bat Data darum, sein Bewusstsein „abzuschalten“, denn er, Data, glaube, dass Unsterblichkeit das Leben entwerte, unecht mache; der Tod gehöre zum Leben, nur Leben, das den Tod umfasse, ist echtes Leben. „Ein Schmetterling“, so Data, „der nicht stirbt, ist kein Schmetterling.“
Datas Ende …
Die letzten Minuten der Episode (und damit auch der
Serie) gehören Data, genauer: dem Sterben Datas. Alle – buchstäblich alle, die
bei Star Trek: Picard in vorderster Reihe dabei waren – sitzen beisammen,
um Data die letzte Ehre zu erweisen.
Der Robot, der sich, gleichsam als letztmögliche Perfektion seiner Existenz, die menschliche Sterblichkeit wünscht, entstammt der Story Der Zweihundertjährige von Isaac Asimov, die im Original als The Bicentennial Man 1976 erschien; es war die letzte Robot-Geschichte Asimovs (die auch bereits verfilmt wurde, nämlich 1999 von Chris Columbus).
Hat Star Trek: Picard diese Idee also abkupfert? Im Prinzip schon. Aber erstens ist das auch als Kopie eine verdammt gute Idee. Und zweitens kann man Klassiker nicht beklauen; man kann sie zitieren, paraphrasieren und so weiter. Und zum Klassiker wurde Asimov in der zweiten Episode erklärt; sozusagen als Vorbereitung des Finales …
Fazit 10. Episode: Ganz und gar Star Trek (TNG).
*
Fazit Serie: Die Stärke der 10. Episode – ganz
und gar Star Trek zu sein – ist aber auch eine der Schwächen der Serie als
Ganzes.
Die ersten Episoden hielten sich noch eine ganze Menge Optionen offen – in Form von möglichen Plots und/oder Personenkonstellationen: Die Föderation, die einen ihrer Verbündeten im Stich lässt (und damit verrät, wofür sie bisher gestanden hat) oder das TV-Interview, in dem Picard durch einen Oprah-Verschnitt – weiblich, schwarz, arrogant – vorgeführt werden soll, was Picard sich aber nicht bieten lässt. Doch im weiteren Verlauf der Serie zeigt sich leider sehr schnell, dass all die potenziell guten Plot-Ansätze nur halbherziges Antäuschen, ein So-tun-als-ob war. So auch der Borg-Kubus, der eigentlich nur im Spiel ist, damit Seven of Nine innerhalb der Serie nicht in der Luft hängt. Oder das Streitgespräch zwischen Picard und einem Admiral der Föderation, in dem grundsätzliche moralische Fragen diskutiert werden – nichts weiter als Schaumschlägerei im Stile TNGs, die nicht weiterverfolgt wird.
Nicht dass der Hauptplot, der sich schließlich
herausschält, schlecht erzählt wäre. Im Gegenteil. Aber er geht halt keinerlei
Risiken ein. Eine gute Star-Trek-TNG-Geschichte, die vor 20 Jahren vielleicht
sogar sensationell gewesen wäre. Heute ist sie bloß Dutzendware.
Und so bleibt am Ende vor allem das Gefühl, zwar keine schlechte
Serie gesehen zu haben, aber auch eine, die ihre Möglichkeiten bei weitem nicht
ausgeschöpft hat (und das offenbar auch nicht wollte).
Als Picard und Dahj auf Nepenthe ankommen (Episode 7), wird
das bisherige Tempo der Serie zurückgenommen, quasi eine Atempause eingelegt. Das
sagt schon der Name: Népênthos wird in Homers Odyssee (4. Gesang)
als „ein Mittel gegen Kummer und Groll“ bezeichnet. Pênthos bedeutet
Kummer oder Ärger, né ist eine Verneinungspartikel; Nepenthe heißt übersetzt
also: sorgenfrei. Mit „Mittel“ ist eine „Würze“, also eine Droge
gemeint.
Und so, also als Beruhigungsdroge, als antikes Valium, wenn
man so will, wird – böse ausgedrückt – die Episode auch eingesetzt. Picard
trifft auf alte Bekannte, auf William Riker, ehemals Erster Offizier auf der
Enterprise, und auf Deanna Troi, Counselor der Enterprise, beide jetzt ein
Paar, das sich einst auf Nepenthe zurückgezogen hatte, um ihrem Sohn –
vergebens – das Überleben zu ermöglichen. Die Serie nutzt das, um nostalgisch
alte (und vermeintlich bessere) Zeiten zu beschwören. Und nicht zuletzt, um
alte Fans – die vor allem von Episode 5 ein wenig pikiert waren – nicht völlig
zu vergraulen. (Was im Großenganzen auch funktioniert.)
Treffen einer Generation …
Das Bemerkenswerteste an der 8. Episode ist, dass Seven
of Nine zurückkehrt. Sie wurde von Elnor alarmiert, als die Romulaner ihn auf
dem Borg-Kubus in die Enge getrieben hatten. Und sie macht da weiter, wo sie
als Rächerin in Episode 5 aufgehört hat: Sie klinkt sich, als Borg-Queen, ins
lokale Borg-Kollektiv ein, um die Romulaner aus dem Artefakt zu jagen. Was auch
glückt. Doch ist bereits eine riesige romulanische Flotte auf dem Weg zu Sojis
Heimatwelt – um dort, an der Quelle sozusagen, die Androiden zu vernichten.
Seven of Nine
Und auf diesen Endkampf zwischen organisch entstandenem und künstlich geschaffenem Leben hat die Serie, offenbar von Anfang an, hingearbeitet. (Siehe schon die allererste Szene der Serie: die Pokerpartie zwischen Picard und Data …)
Und Episode 9 macht dann auch Ernst: Picard gelangt
durch einen – von Soji initiierten – Transwarp-Kanal der Borg zur
Androiden-Heimatwelt. Aber er ist mit seiner Crew nicht der Einzige, der diesen
Weg gegangen ist: Aus dem Kanal taucht auch der Kubus auf (im Übrigen eine sehr
beeindruckende Szene), und auch Narek, der Beinahe-Mörder Sojis, schafft es
durch den Kanal. Er eröffnet sofort das Feuer auf Picards Schiff. Bevor es
jedoch zur Eskalation kommt, greifen planetare Abfangjäger ein (die aussehen
wie hypertrophe Orchideen) und zwingen alle drei Schiffe zur Notlandung auf dem
Planeten.
Dort gelangt Picard mit seinen Leuten schließlich – zusammen mit Seven of Nine und Elnor, die den Absturz des Kubus überlebt haben – in eine idyllische Siedlung, bewohnt nur von Androiden. Es ist die Heimat Sojis; Maddox hat sie dort mit ihren Schwestern erschaffen. Die Siedlung wirkt, samt ihrer Bewohner, als befände man sich mitten in Height Ashbury zu Zeiten des Summer of Love, also 1967. Das ist zum einen der Höhe- (und End-)Punkt der Hippie-Bewegung und zum anderen auch ein Jahr, in dem noch die Ur-Serie des Star-Trek-Universums im US-Fernsehen lief.
Aber als bloßes Zitat ist es ein bisschen dick
aufgetragen. Ist es also Ironie? Und die Ironie läge dann darin, dass die
Hippies von damals hier von Androiden repräsentiert werden, also von Supertechnik,
während die damalige Gegenkultur ja im Allgemeinen der Technik eher ablehnend
gegenüberstand?
Aber falls es sich tatsächlich um Ironie handelt, wird diese
sehr schnell wieder fallengelassen. Wir erfahren – eine Gedankenverschmelzung
bringt es an den Tag –, dass es „jenseits der Grenzen von Zeit und Raum“ eine umfassende
„Allianz des Künstlichen Lebens“ gibt. Und die steht bereit, den Androiden im
Kampf gegen die Organischen beizustehen. Sie wartet nur auf das Signal der
Androiden: „Ruft uns herbei und wir werden kommen.“ Das hätte allerdings
Konsequenzen, denn: „Eure Evolution (also die der Androiden) wird zu ihrer (gemeint
sind wir, die Organischen) Auslöschung führen.“
Picard spricht sich (natürlich) dafür aus, dass man es nicht zu einem offenen Kampf mit der romulanischen Flotte kommen lässt, die unterwegs ist, um die Androiden des Planeten zu vernichten. Er empfiehlt, sich in Sicherheit zu bringen. Doch Sutra, die Schwester Sojis, ist anderer Meinung: Sie will die Hilfe der Allianz in Anspruch nehmen (und lässt Picard festnehmen).
Alles ist also bereitet für das Finale, für den manichäischen Kampf künstliches gegen organisches Leben. harastos liebt ja derartige Alles-oder-Nichts-Konstellationen, und hofft nur, dass der Sieg der Organischen, der natürlich absehbar ist, nicht allzu platt ausfällt. (Quasi unvermeidlich: Soji, der Android, wird sich am Ende auf die Seite des Organischen stellen.)
*
Die letzte Episode von Star Trek: Picard morgen auf Amazon Prime.