24. After 13

Der „erfolgreiche Fehlschlag“, wie die Apollo-13-Mission bald genannt wurde, steigerte in den USA zwar kurzfristig wieder das Interesse am Apollo-Programm, aber hinter den Kulissen hatte Apollo den Kampf um die Zukunft, ausgetragen zwischen der NASA und der neuen Nixon-Regierung, bereits verloren.

Den Anfang vom Ende leitete ausgerechnet die Euphorie des Jahres 1969 ein. Noch als Apollo 11 unterwegs war, malte Spiro Agnew, Vizepräsident unter Richard Nixon und begeisterter Raumfahrtenthusiast, die Zukunft der NASA nach Abschluss der Apollo-Missionen in den rosigsten Farben: Er sprach von der Errichtung einer ständigen Raumstation im Erdorbit, der Entwicklung eines wiederverwendbaren Shuttles und davon, in Anlehnung an Kennedys große Kongress-Rede, „daß die USA das ebenso klare wie ehrgeizige und optimistische Ziel formulieren sollten, bis zum Ende des Jahrhunderts ein bemanntes Raumschiff zum Mars zu schicken“.

Agnew war seit wenigen Monaten, seit Februar 1969, Vorsitzender der von Nixon eingesetzten Space Task Group, deren Aufgabe es war, Vorschläge auszuarbeiten, wie es mit dem amerikanischen bemannten Weltraumprogramm nach Apollo weitergehen sollte. Diese Space Task Group allerdings hat nichts außer dem Namen gemein mit der aus den 1950er Jahren, die die Mercury-Missionen verantwortete und aus der später das Manned Spacecraft Center in Houston wurde.

Agnew glaubte daran – wie die meisten Weltraumbegeisterten und auch fast alle NASA-Mitarbeiter –, dass die Weltraumfahrt einer Art inneren, zwangsläufigen Logik folge, nach der die Mondlandung den Anfang darstellte in der Eroberung des Weltraums. Und Thomas Paine, der nach dem Rücktritt von James E. Webb die Führung der NASA übernommen hatte, überschätzte „reichlich naiv“ den Einfluss, den Agnew in Washington hatte und bestärkte die NASA damit in ihrem Glauben, nach der Mondlandung könne und müsse es mit großen Schritten weitergehen.

Im Herbst unterbreitete die Task Group ihre drei Vorschläge dem Präsidenten. Die Maximalempfehlung sah bei jährlichen Ausgaben von 8 bis 10 Milliarden Dollar die Installierung zweier riesiger Raumstationen, eine um die Erde sowie eine um den Mond, und eine feste Forschungsstation auf der Mondoberfläche vor, außerdem die Entwicklung eines wiederverwendbaren Space Shuttle und als Krönung den Start einer bemannten Expedition zum Mars in den 1980er Jahren. Bei der etwas bescheideneren Version wollte man lediglich auf die lunare Forschungsstation verzichten. Und die Minimalempfehlung wollte bei Ausgaben von 5 Milliarden Dollar pro Jahr eine feste Raumstation im Erdorbit errichten sowie das Space Shuttle entwickeln. Weitere bemannte Expeditionen zu Planeten (wie dem Mars) wurden ohne konkrete Terminvorgabe auf spätere Jahre gelegt.

Nixon allerdings kündigte in einem persönlichen Gespräch mit Paine an, dass die NASA aufgrund der angespannten finanziellen Lage der Nation (vor allem der Vietnam-Krieg verschlang exorbitante Summen) mit Budgetkürzungen zu rechnen habe. Nixon ließ keinen Zweifel daran, dass auf Apollo kein weiteres weltraumtechnisches Megaprojekt (etwa eine bemannte Mars-Expedition) folgen würde.

Doch Paine erreichten diese Warnungen erst, als Nixon ernst machte: Als Paine für das Jahr 1971 ein Budget von 3,7 Milliarden Dollar für die NASA forderte (was er für gemäßigt hielt), lehnte Nixon ab und ließ das Budget im Kongress immer weiter zusammenstreichen, bis am Ende eine Kürzung um fast eine halbe Milliarde Dollar herauskam. Und wenige Wochen vor dem Start von Apollo 13 genehmigte Nixon unter Vorbehalt zwar den dritten Vorschlag der Task Group – Orbitalstation plus Space Shuttle –, erging sich dabei aber in Formulierungen, die vor allem Wert darauf legten, dabei nichts überstürzen zu wollen.

Als erstes direktes, aber relativ kleines Nachfolgeprogramm von Apollo war zu diesem Zeitpunkt nur Skylab, die erste amerikanische Raumstation, beschlossene Sache. Die von Nixon durchgesetzten Budgetkürzungen der NASA machten es aber unmöglich, die Zahl der bereits bestellten 15 Saturn-V-Raketen aufzustocken, doch nur eine Saturn V war in der Lage, das vollständig ausgebaute Raumlabor in einen Orbit zu bringen. Als Ausweg strich Paine die Mission Apollo 20, wodurch eine Saturn V für den Transport des Skylab frei wurde. Als Paine erkannte, dass seine großen Visionen bei der Politik auf keinerlei Resonanz stießen, trat er im September 1970 zurück. Als quasi letzte Amtshandlung strich er zwei weitere Apollo-Missionen; die dadurch frei gewordene Hardware wurde für ein weiteres, mehr politisch als technisch visionäres Nachfolgeprojekt verwendet: dem ASTP.

Und diese beiden Projekte – Skylab und ASTP – war alles, was von den großen Visionen einer Nach-Apollo-Ära übrig blieb: zwei Missiönchen, die kaum mehr taten, als Apollo-Equipment zu recyceln. Am 5. Januar 1972 wurde dann, sozusagen offiziell, die große Ära der US-amerikanischen Raumfahrt zu Grabe getragen, als Nixon entschied, das Space Shuttle und nichts sonst zu entwickeln (Hauptargument für das Shuttle war das Versprechen, die Weltraumfahrt billiger zu machen). Die ständige Orbitalstation der Task Group entfiel, ebenso die bemannte Mars-Mission; zu Planeten des Sonnensystems würde man nur noch unbemannte Sonden schicken.

Als am 19. Dezember 1972 die bemannten Mondlandungen mit der Wasserung von Apollo 17 im Pazifik zu Ende gingen, war von der einstigen nationalen Begeisterung für die Weltraumfahrt so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Oder, wie es Andrew Smith ausdrückt: „1972 war der Weltraum den Amerikanern bereits scheißegal.“ Im Frühjahr 1973 begann dann der so genannte Watergate-Skandal die US-amerikanischen Medien zu dominieren. Richard Nixon, 1968 zum Präsidenten gewählt und bei der Wahl im November 1972 triumphal bestätigt (kein Republikaner davor und danach wurde je mit einem größeren Vorsprung in den Wählerstimmen zum US-Präsidenten wiedergewählt), hatte seinen demokratischen Herausforderer George McGovern systematisch bespitzeln, überwachen, verwanzen lassen. Erstmals ruchbar wurde das im Juli 1972, mitten im Wahlkampf, als die Polizei von Washington D. C. im Watergate, einem Hotelkomplex, wo die Demokraten ihr Hauptquartier unterhielten, fünf Personen festnahm, die in die entsprechenden Räume einzudringen versucht hatten. Journalisten der Washington Post – namentlich Bob Woodward und Carl Bernstein – sprachen schon Tage später von einer Verschwörung, deren Ursprung sie an allerhöchster Stelle – nämlich im Weißen Haus – vermuteten. Und genau das bestätigte sich im Frühjahr 1973.

Ganze sechzehn Monate, bis Anfang August 1974, leugnete Nixon mit zum Teil dreisten Lügen – in die Kameras gesprochen – jede Verwicklung in diese Affäre ab. Gestoppt wurde er erst vom amerikanischen Kongress mit dem härtesten ihm zur Verfügung stehenden Mittel: Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte leitete das Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen amtierenden Präsidenten ein. Bevor das jedoch griff, erklärte Richard M. Nixon am 9. August 1974 seinen Rücktritt.

Die Auswirkungen auf die amerikanische Politik waren vielleicht verheerender als die des Sputnik-Schocks. Sputnik war verbunden mit einem einzelnen, klar benennbaren Ereignis, das zu einem ganz bestimmten Datum stattfand. Der Watergate-Schock zog sich länger als ein Jahr hin und betraf Institutionen des eigenen Landes. Das Establishment hatte – vor aller Augen und Ohren via Fernsehen – jede Glaubwürdigkeit eingebüßt; man traute allen „da oben“ alles zu. Lug und Trug schien der Kitt, der das System am Laufen hielt. Und am Ende gab es keinen Kennedy, der dazu aufrief, den Schock zu überwinden, indem man zur Tat schritt.

Fast zeitgleich mit dem Ende der Weltraumutopien starb sukzessive auch die Hippie-Utopie: In Height Ashbury hielten sich nach dem Ende des Summer of Love Zehntausende junger Menschen auf, die mit idealistischen Vorstellungen, mit großen Träumen von einer möglichen besseren Welt dorthin aufgebrochen waren. Sie strandeten in einer Stadt, die von dem Ansturm völlig überfordert war. Viele landeten auf der Straße; ausgebeutet von Drogenhändlern, Zuhältern und anderen Kriminellen, die mit Utopien nichts am Hut hatten. In den Straßen von Height Ashbury starben ihre unschuldigen Ideale einer freien Gesellschaft. Die Kriminalität stieg von Monat zu Monat, und nach nicht einmal zwei Jahren war aus Height Ashbury, dem einstigen Hort jugendlicher Hoffnungen, ein Slum geworden, beherrscht von Obdachlosigkeit, Krankheit und Gewalt.

Am anderen Ende des Kontinents, im Staat New York an der Ostküste, kam es im Sommer 1969, wenige Wochen nach der ersten Mondlandung von Apollo 11, zu einem weiteren Musik-Festival: Zu Hunderttausenden strömte die Jugend, schon Wochen vor dem eigentlichen Beginn, auf das Gelände nahe der Kleinstadt Bethel; benannt wurde das Festival nach einer anderen, rund 75 Kilometer südlich von Bethel gelegenen Kleinstadt: Woodstock, wo das Festival ursprünglich stattfinden sollte (und wohin sich Bob Dylan nach seinem Motorradunfall zurückgezogen hatte), was von den Bewohnern aber verhindert wurde. Im Unterschied zu Monterey wurde Woodstock von Anfang an als Wirtschaftsunternehmen aufgezogen: Die Organisatoren gründeten in New York eine Kapitalgesellschaft, die Woodstock Venture Inc., und kalkulierten die Unternehmung (mit maximal 200.000 Besuchern wurde gerechnet) bis in juristische Feinheiten durch. Drei Tage sollte das Festival dauern; als erster Tag wurde der 15. August 1969 (ein Freitag) festgesetzt.

Beworben wurde das Festival in Radiosendern und Zeitungen, nicht nur lokal, sondern in den ganzen USA sowie in Kanada und Europa. Im Vorverkauf betrug der Ticketpreis für die gesamte Veranstaltung 18 Dollar, ein Tagesticket kostete 7 Dollar. Die Preise vor Ort lagen bei 24 beziehungsweise 8 Dollar. Bereits Wochen vor Konzertbeginn trafen die Ersten am Festival-Gelände ein, einige hatten Karten aus dem Vorverkauf, die meisten allerdings wollten die Karten erst vor Ort erwerben, doch konnten sie das nicht, da die Organisatoren mit dem Aufbau von Kassenstellen noch nicht einmal begonnen hatten. Bereits am Mittwoch, zwei Tage vor Konzertbeginn, befanden sich über 100.000 Menschen auf dem Gelände und den umgebenden Zufahrtsstraßen (auf denen der Verkehr vollständig zum Erliegen gekommen war). Als die prognostizierten 200.000 überschritten wurden (und von Organisation kaum noch die Rede sein konnte) trat ein Sprecher auf die Bühne und verkündete, dass das Festival von nun an eintrittsfrei sei. Der Zulauf aufs Gelände hielt an und im Laufe des Samstags waren es schließlich 400.000 Menschen.

Die Jugend des Ostens wollte es also noch einmal wissen. Sie brachte die Ideale der Hippie-Bewegung, die im Westen des Landes schon untergegangen waren, noch einmal zu einem Höhepunkt. Woodstock wurde zum Inbegriff der Gegenkultur. Und für ein paar Tage sah es so aus, als könnte die Agonie, in die sie bereits gefallen war, gestoppt und sie vielleicht sogar auf den Weg der Genesung gebracht werden. Eine Hoffnung, die sich natürlich nicht erfüllte. Der Niedergang wurde immer greifbarer. Am 6. Dezember 1969 fand das Altamont Free Concert in Livermore, Kalifornien, statt, ausgerichtet von den Rolling Stones, die in den 1960ern epigonal allem hinterherhechelten, was Erfolg versprach; hier eben Woodstock. Altamont wurde zum Symbol für den Niedergang: Vier Menschen starben während des Konzerts, einer durch den Messerstich eines Hell’s Angels, die als Ordner für einen reibungslosen Ablauf des Festivals sorgen sollten. Im Jahr darauf wurden dann am 18. September Jimi Hendrix und am 4. Oktober Janis Joplin tot aufgefunden.

Da hatte in der Hippie-Bewegung, beziehungsweise in dem, was von ihr noch übrig war, schon weitgehend das Mystische die Oberhand gewonnen. Die Jugend, die aufgebrochen war, die Welt zu verändern, dabei immer das Individuelle betont hatte – die Änderung der Welt beginnt beim Individuum –, zog sich fast völlig aus der äußeren Welt zurück und begab sich auf eine Reise ins Mystisch-Individuelle (aus dem dann das New Age hervorging). Mit Height Ashbury verlor die Jugend ihre Unschuld, im Folgenden ihren Glauben daran, dass man mit Optimismus, Liberalismus und Pluralismus der Welt beikommen könne. Utopie, so das Fazit, schien weder möglich noch gewollt. Und die 68er-Bewegung, die explizit politisch agierte, geriet in zahlreichen Ländern der westlichen Welt direkt ins Gegenfeuer des Establishments: Auf Studentenproteste wurde mit Waffengewalt reagiert – von Mexiko über diverse US- bis hin zu europäischen Staaten.

Die Desillusionierung der aufbruchsbereiten Jugend war vollständig. In den 1970ern kam es dann, darin Joplin und Hendrix folgend, die beide an einer Überdosis gestorben waren, zum Siegeszug des Heroins, einer Droge, die nicht einmal im Ansatz, nicht einmal potenziell, zur Erweiterung des Bewusstseins taugt, sondern bloß zum Ausklinken des Individuums aus der Gesellschaft, in der es lebt. Was noch verschärft wurde durch den war on drugs, den Nixon 1971 ausrief und der, wie so oft in der US-Geschichte, ein Krieg gegen Symptome war. Dass der einzelne Drogen-User zunehmend kriminalisiert wurde, während die Drogenkartelle im Hintergrund immer reicher, mächtiger und einflussreicher wurden, verschlimmerte die soziale Lage noch. Ganze Großstädte der USA zerfielen in Viertel, wo Drogen das Leben bestimmten, und in solche, wo man sich dagegen abschottete (und so tat, als ginge einem das alles nichts an).

Mitte der 1970er Jahre mit dem Ende des Apollo-Programms (1972) und der Nachfolge-Programme Skylab (1974) und ASTP (1975) hatte das Establishment der USA nicht nur keinerlei politische Visionen mehr anzubieten – nicht einmal technisch-utopische in Form der bemannten Raumfahrt waren geblieben: Mit der Wasserung von Apollo-ASTP (am 24. Juli 1975) fand das amerikanische bemannte Weltraumprogramm ein Ende. Eigentlich sollte das Space Shuttle, begrenzt allerdings auf den Erdorbit, fast nahtlos an Apollo beziehungsweise Skylab anschließen, doch durch ständige Verzögerungen gab es sechs Jahre lang keine bemannten amerikanischen Raumflüge (der Jungfernflug des Space Shuttle fand am 12. April 1981 statt, am 20. Jahrestag der bemannten Weltraumfahrt, allerdings versehentlich, denn der Flug war früher angesetzt und verzögerte sich durch diverse Widrigkeiten bis auf diesen historischen Termin).

In dieser Zeit der völligen Desillusionierung vertiefte der Sachbuchautor William „Bill“ Kaysing das Vakuum noch, indem er (1976) ein Buch mit dem Titel We Never Went to the Moon veröffentlichte. Darin behauptet er, die NASA habe die Mondlandungen gefälscht, in irdischen Filmstudios lediglich nachgestellt – er spricht vom „Apollo Project Hoax“ (Hoax = Schwindel, Lüge). Die einzelnen Argumente, die er als Beleg für diese These anführt, sind eingebettet in das Wissen um groß angelegte Täuschungen des eigenen Volks, deren sich das Establishment schuldig gemacht hat. Er führt mehrere politisch-militärische Aktionen an, die die USA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen sowie glatter Lügen durchgeführt haben: Guatemala 1954, Indonesien 1958, Spionage-Flug der U2 über sowjetischem Gebiet 1960, Invasion in der kubanischen Schweinebucht 1961. Man könnte diese Liste verlängern bis Chile (1973), Vietnam (1964) und Watergate …

Kaysing zieht daraus den (man könnte sagen: zynischen) Schluss, dass das Apollo-Projekt gar nicht wahr sein könne. Das Land brauchte zwar einen solchen Erfolg – er konzediert damit indirekt die Großartigkeit des Projekts –, sei aber in den 1960er Jahren (noch) nicht so weit gewesen, ihn auch zu verwirklichen. Deshalb hätten die Verantwortlichen, allen voran Präsident Richard „Tricky Dick“ Nixon, zu Tricks und Täuschungen gegriffen, um für die Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das Projekt sei erfolgreich abgeschlossen worden. Die Bezeichnung Tricky Dick für Nixon war zu einem geflügelten Wort geworden; übersetzen lässt sie sich mit „durchtriebene Null“. Dick ist die Kurzform von Richard, steht aber auch für Hinz und Kunz (Tom Dick and Harry) sowie für Dödel, den etwas weniger vulgären Ausdruck für das männliche Genital.

William Charles Kaysing wurde am 31. Juli 1922 in Chicago, Illinois, geboren. Als Kind erlebte er den wirtschaftlichen Kollaps des Landes zwischen 1929 und 1933 mit. Auch dieser wurde durch Lügen, Beschönigungen und Täuschungen möglich und verschlimmert. Herbert Hoover, US-Präsident von 1929 bis 1933, wiederholte seinen Ausspruch, dass der Reichtum für jeden amerikanischen Bürger gleich um die Ecke liege, noch 1929, wenige Monate vor dem Zusammenbruch der New Yorker Börse. Kritiker des Booms der 1920er Jahre, der dem Einbruch vorausgegangen war, wurden systematisch verschwiegen oder öffentlich diskreditiert.

Vielleicht waren diese Erlebnisse, selbst wenn er sie nur halbbewusst mitbekam, mit ein Grund für Kaysings unruhigen Geist. Zudem zeigte er sowohl künstlerische (speziell sprachliche) als auch technische Begabungen und Interessen. Nachdem er bereits in früher Jugend mit seinen Eltern nach Kalifornien umgezogen war, erwarb er an der University of Redlands einen Bachelor in englischer Literatur. Er arbeitete in diversen Berufen, etwa als Schreiner, verdingte sich dann als Mittdreißiger – im Jahr 1956 – bei Rocketdyne, das zu North American Aviation gehörte und für die NASA die Triebwerke der Saturn-Raketen baute, als technical writer, das ist jemand, der technische Dokumentationen wie Pflichtenhefte oder auch Spezifikationen oder Prozeduren erstellt. Es war ein Job, der seinen Neigungen entgegenkam, da er zum einen gut im Verfassen von Texten und zum anderen schon immer technikaffin war, was bei ihm hieß: Er begeisterte sich fürs motorcycling.

Vermutlich stammt daher der von seiner Tochter Wendy L. Kaysing erwähnte Nickname „Wild Bill Kaysing“. Doch nach sieben Jahren wurde es ihm im San Fernando Valley, wohin er wegen des Jobs bei Rocketdyne mit seiner Familie gezogen war, zu eng; er kündigte seinen Job bei Rocketdyne und zog mit Frau und Kindern in einem Wohnanhänger durch die Staaten des Westens bis hinauf nach Seattle. In dieser Zeit begann er zum Thema Motorrad Artikel für diverse Zeitschriften und Magazine zu schreiben, die ihm auch Geld einbrachten. Mitte der 1960er Jahre gelang es ihm, eine ganze Serie zum Thema Motorrad-Sicherheit im Cycle World (ein Monats-Magazin, das es bis heute gibt) unterzubringen. Aus dieser Artikel-Serie entstand 1966 sein erstes Buch: Intelligent Motorcycling.

In den folgenden Jahren entstanden dann zahlreiche Bücher von der Art, die wir heute Ratgeber nennen. Die Themen waren von ganz unterschiedlicher Art: von der Kunst, wie man mit einem Dollar am Tag gut essen kann, bis hin zu Tipps, wie man mit wenigen Dollars ein Grundstück erwirbt.

Aber es gab auch immer wieder Bücher – in der Regel wesentlich dickere als die Ratgeber –, die sich mit der Welt befassten, in der er lebte. Das Neue Amerika in seinem Buch How to live in the New America (1972) ist ein alternatives Amerika, ein Land jenseits der „straight world“: Er propagiert darin ein einfaches, nomadisches, ökologisch und basisdemokratisch orientiertes, wenn man so will: ein hippieeskes Leben. Seitenweise führt er Listen auf mit Alternativen zum Mainstream – von Kommunen und Schulen sowie Universitäten, die anderen, oft anti-autoritären Erziehungsidealen folgen, bis hin zu unabhängigen Zeitungen und Magazinen.

Als seine Nation, die Apollo ermöglicht hatte, sich schneller davon zu verabschieden begann, als sie gebraucht hatte, um darauf zu kommen, eilte er ihr quasi voraus: Alles Lüge! Nie geschehen! Mit dem vollständigen Rückzug aus den bemannten Mond-Missionen war alles an Visionen, alles an Glaube, der Mensch würde wie selbstverständlich seinen Aktionsradius über die Erde hinaus erweitern – in den 1960ern war das Mainstream – gestorben, praktisch über Nacht völlig aus der Welt gefegt. Kaysing will mit seinem Buch belegen, dass der größte Erfolg der Weltraumfahrt – die bemannte Mondlandung – eine einzige, gigantische Lüge darstellt. Apollo hat den Aufbruch der Hippies, wenn auch nur wenige Jahre, überdauert. Beide waren, als nachhaltige Utopie, gescheitert. Ist es da nicht fast ein Trost, wenn man Apollo im Nachhinein als Fake entlarvt? Wir, die Rebellen, haben es immerhin versucht. Ihr vom Establishment habt nur so getan, als würdet ihr es versuchen!

Mit seinem Eingangsargument, auf dem das Buch aufbaut, greift er auf seine Zeit bei Rocketdyne (1956-1963) zurück. Er beschreibt die frühen Versuche zur Triebwerksentwicklung, konzentriert sich dabei vor allem auf die Fehlschläge: Triebwerke, die brennen, platzen, explodieren, dabei zum Teil die Prüfstände gleich mit zerstören. Das alles ist auch tatsächlich so passiert. Aber Kaysing zieht daraus den Schluss, dass diese Anfangsprobleme nie gelöst wurden, dass die Ingenieure aus den Fehlschlägen nichts gelernt hätten. Das wäre so, als würde man behaupten, die V2 (und damit auch ihre Angriffsflüge gegen London oder Antwerpen) könne es nicht gegeben haben, weil die ersten drei Starts der Rakete schief gegangen sind.

Es folgen die erwähnten Geheimoperationen der USA, mit denen Kaysing vor allem belegen will, dass derartige Aktionen auch bei vielen Mitwissern über Jahre hinweg vor der Öffentlichkeit verborgen werden können. Nach diesem Vorspann, der eigentlich nur die Plausibilität seiner Argumente stützen soll, kommt er schließlich zum Kern des Buchs: In mehreren Kapiteln breitet er eine Reihe von Indizien aus, die seiner Meinung nach belegen, dass die Mondlandungen allesamt gefälscht, in einem irdischen Studio nachgestellt wurden.

Ein bei Mondlandungszweiflern – so auch bei Kaysing – sehr beliebtes Motiv sind die fehlenden Sterne am Mondhimmel bei allen Aufnahmen der Apollo-Missionen. Denn auf dem Mond müssten die Sterne immer zu sehen sein, nicht nur nachts bei klarem Himmel, sondern auch tagsüber, denn der Mond hat keine Atmosphäre, die durch Wolken oder durch Streuung des blauen Lichts (wie am Tag auf der Erde) die Sicht auf die Sterne verhindern könnte.

Aber die Astronauten waren nicht auf dem Mond, um Sterne zu fotografieren beziehungsweise zu filmen. Sie waren dort, um ihre Aktivitäten, sich selbst oder ihre Hardware aufzunehmen. Und das während des Mondtages, das heißt die gesamte Szenerie lag in hellem Sonnenlicht. Die Belichtungsautomatik der Kamera wählt also eine kurze Belichtungszeit (eine Fünfzigstel Sekunde oder weniger), um das Hauptmotiv (den Astronauten, das LM) korrekt zu belichten. Diese Zeit reicht aber bei weitem nicht aus, um im Hintergrund die winzigen, leuchtschwachen Sterne gleichzeitig mit dem Hauptmotiv abzubilden. Will man die Sterne abbilden, dann braucht man Belichtungszeiten von mehreren Sekunden, was aber das eigentliche, das Hauptmotiv, das, was man eigentlich fotografieren will, bis zur Unkenntlichkeit überbelichten würde.

Das alles kann jedermann mit einer handelsüblichen Kamera sogar überprüfen — ob eine mit chemischem Filmmaterial (wie in den 60ern) oder eine mit digitalem Chip (wie heute üblich) ist gleichgültig. Man stelle eine mit einem Scheinwerfer gut ausgeleuchtete Person vor nächtlichem Hintergrund. Wenn man die Belichtung auf die Person im Vordergrund abstimmt, werden auf dem Himmelshintergrund keinerlei Sterne zu sehen sein. Man muss sich entscheiden: Entweder stimmt man die Belichtung auf den Vordergrund ab, dann ist der Hintergrund unterbelichtet, oder man belichtet so lange, dass tatsächlich die Sterne zu sehen sind, dann wird aber der Vordergrund völlig überbelichtet. Nur wenn die Sterne – zum Beispiel jene im relativ hellen Band der Milchstraße – die einzige Beleuchtungsquelle der Szenerie darstellen, lässt sich beides – Hintergrund wie Vordergrund – mit einer einzigen (Langzeit-)Belichtung abbilden.

Die anderen Indizien, die Kaysing als Beleg für seine Hypothese anführt – die Flagge auf dem Mond, die im Vakuum des Mondes angeblich flattert; fehlende Staubaufwirbelungen unter dem Triebwerk des LM und viele mehr –, sind von ähnlicher Qualität: Allesamt sind sie relativ leicht zu widerlegen. Vielleicht ist das der Grund, warum Kaysings Buch über die vermeintliche Mondlandungslüge fünfzehn Jahre lang kaum beachtet, geschweige denn ernst genommen wurde. Noch 1999, zum 30. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung von Apollo 11, fand sie medial praktisch keinerlei Erwähnung. Schon zwei Jahre später begann sich das zu ändern.

Die Welt hatte sich in den 25 Jahren nach dem Erscheinen des Buchs geändert (und damit ist nicht das Internet gemeint). In der Folge von Heinleins Stranger in a Strange Land – aber auch Frank Herberts Dune (Der Wüstenplanet) und J. R. R. Tolkiens Lord of the Rings (Der Herr der Ringe) müssen hier erwähnt werden, denn auch sie avancierten in der Hippie-Welt ab 1965 zu Bestsellern –, war die Science Fiction bis Mitte der 1970er Jahre in die Hochliteratur vorgedrungen und eroberte am Ende des Jahrzehnts das Kino (und das durchschlagend) mit praktisch einem einzigen Film:

Am 25. Mai 1977, ein Jahr nach der Erstausgabe von We Never Went to the Moon, startete in den US-amerikanischen Kinos der Film Star Wars (Deutschlandstart war im Februar 1978). Zwar spielt er in einer anderen, weit entfernten Galaxie, und das vor sehr langer Zeit, doch die Geschichte, die er erzählt, ist nicht nur eine sehr irdische, sondern auch eine sehr altmodische: eine von Prinzessinnen und Rittern, die mit Schwertern (immerhin in Laserausführung) den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse austragen. Aber erzählt wird diese Fantasy- und Märchen-Geschichte in einer bis dahin nie gesehenen Science-Fiction-Ästhetik.

Bis dahin zeichneten sich Science-Fiction-Filme, falls bei ihnen überhaupt auf Ästhetik Wert gelegt wurde, denn die meisten einschlägigen Produkte stellten bis 1977 B- oder C-Filme oder Filme noch üblerer Machart dar, durch völlig statische, häufig gemalte Kulissen aus, zwischen oder vor denen die Action nur in langsamen Bewegungen stattfand, um die Illusion der künstlichen Welten nicht zu zerstören. Seinen Höhepunkt fand diese Ästhetik im Film 2001 von 1968.

Auch in Star Wars gab es Handgemachtes zu sehen, schon aus Kostengründen, aber mit einer einzigen Sequenz, die nur 40 Sekunden dauerte, begann sozusagen die Zukunft: Luke Skywalker saß am Steuerknüppel eines Rebellenschiffs und jagte durch die zerklüftete Oberfläche des Todessterns, und wir als Zuschauer saßen mit ihm am Steuer; es war das erste Mal, dass man auf einer Leinwand ein Raumschiff derart in Action erleben konnte, ermöglicht wurde das durch CGI, computer generated imagery, was heißt: die gesamte Sequenz ist im Computer entstanden.

Der Erfolg war atemberaubend. Als erster Science-Fiction-Film spielte er bereits am Eröffnungswochenende Millionen ein (mehr als er gekostet hatte). Kein anderer Film wurde so schnell und nachhaltig Teil der Pop-Kultur. Er gewann im Jahr darauf sieben Oscars (allerdings nicht den für den besten Film). Es entstanden nicht nur zwei weitere Filme – diese erste Trilogie firmiert heute unter den Bezeichnungen Episode IV bis VI –, sondern auch Bücher, Comics, Spielfiguren, später auch Computerspiele und Animes. Und er veränderte das Filmgeschäft: Dass man mit Science Fiction plötzlich viel Geld verdienen konnte, veranlasste Hollywood dazu, in den kommenden Jahren ganze Science-Fiction-Universen neu zu begründen oder wiederzubeleben: Aliens, Star Trek, Battlestar Galactica, Terminator, Stargate, Babylon 5 und so weiter.

Die Filme wurden immer teurer und aufwändiger – der erste Film, dessen Produktion die 100-Millionen-Dollar-Grenze überschritt, war ein Science-Fiction-Film (Terminator 2); die erste TV-Serie, die pro Episode mehr als eine Million Dollar verschlang, war eine Science-Fiction-Serie (Star Trek: The Next Generation) –, und als Folge des getriebenen Aufwands wurde auch die Tricktechnik immer ausgefeilter. Man sah Dinge, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hatte, mit einer realistisch anmutenden Perfektion, die einem nur noch wissen ließ, dass man gerade einer CGI aufsaß, dann nämlich, wenn man das Dargestellte nicht mehr unmittelbar als Teil seiner Welt identifizieren konnte (etwa Aliens oder Robots).

Aber es wurden auch Dinge zu einer möglichen Realität, die der Physik widersprechen, aber dies auf ganz unspektakuläre Weise verbargen: Etwa Gleiter, die antriebslos frei schwebend in der Luft stehen, ohne sich zu bewegen (schon in Star Wars, Episode IV; das widerspricht dem ersten Newton’schen Axiom, wonach sich ein Körper, auf den keine äußeren Kräfte wirken, gleichförmig geradlinig fortbewegen muss). Das Fiktionale vermengte sich zunehmend mit dem Realen. Und 2001, als die Zwillingstürme des World Trade Centers zerstört wurden, hörte man häufig genug, das habe ausgesehen wie im Film.

Im gleichen Jahr, 2001, produzierte das US-amerikanische FOX Network die Fernsehdokumentation Conspiracy Theory: Did We Land on the Moon? (im deutschen Fernsehen wurde die Sendung von Siegel-TV ausgestrahlt). Auch Bill Kaysing war mit von der Partie. Im Großenganzen wiederholte er seine Thesen aus dem Buch von vor 25 Jahren, schwächte im Detail aber auch Einiges ab, sodass es zumindest etwas glaubwürdiger klang.

So behauptete er im Buch noch – und das klingt schon sehr nach dem Plot eines B-Movies –, die Saturn V habe nicht über die mächtigen F1-Triebwerke verfügt, weil die NASA an deren Entwicklung ja gescheitert sei, sondern über sehr viel schwächere, die gerade ausreichten, das Apollo-Raumschiff in den Orbit zu bringen. Aber selbst dort seien die Astronauten nicht angekommen, sondern hätten schon vor dem Start die Kapsel verlassen (über einen geheimen Expresslift) und seien an einen Ort in der Nähe von Las Vegas verbracht worden, wo dann die Mond-Szenen (samt Funkverkehr) simuliert und als Live-Stream in die TVs eingespeist worden seien. Die Kapsel sei zu dieser Zeit längst ins Polarmeer gestürzt.

In der Fernsehdokumentation vertrat er die etwas „gemäßigtere“ Auffassung, dass die Astronauten in der Apollo-Kapsel den Orbit tatsächlich erreicht hätten, dort aber für die Dauer einer Mond-Mission tatenlos herumgekreist seien, während man über das Fernsehen die getürkten Mond-Bilder verbreitet habe.

Die Sendung bot neben Kaysing noch eine ganze Reihe anderer Zweifler auf, darunter auch ehemalige NASA-Ingenieure, die die offizielle Version vom „großen Schritt für die Menschheit“ bestritten. Ihre Argumentation war in den vergangenen 25 Jahren nicht wesentlich stichhaltiger geworden, doch diesmal fiel sie quasi auf gut vorbereiteten, fruchtbaren Boden und fand Anhänger, die ihre Ansichten lautstark und medial durchaus effektiv verbreiteten.

Bereits in der Sendung wurde behauptet, jeder fünfte Amerikaner hielte die Mondlandung für gefälscht (belegt wurde das allerdings nicht). Auch wenn dieser Verbreitungsgrad wahrscheinlich nie erreicht wurde – Zweifel waren gesät, faktisch (wissenschaftlich-technisch) zwar unbegründete, aber klimatisch (politisch-gesellschaftlich) durchaus nachvollziehbare Zweifel.

Welche Macht die Konstruktion von medialer Wirklichkeit mittlerweile erreicht hatte, lässt sich an der Verfilmung der Apollo-13-Mission exemplarisch zeigen: Der Film Apollo 13, Regie: Ron Howard, kam 1995 in die Kinos. Sehr detailreich schildert er — eindringlich und eindrucksvoll, und auch nah am wirklichen Geschehen – die Lage und die Stimmung, die sowohl im Apollo-Raumschiff bei den Astronauten als auch in Mission Control unter den Ingenieuren in den wenigen Tagen der Rettungsaktion herrschten.

Natürlich zitiert der Film auch die drei Sätze der amerikanischen Raumfahrt, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Neben dem erwähnten „Houston, wir haben ein Problem“ ist da zweitens der Satz: „I wonder where Guenter Wendt.“ Und zum Dritten der Satz: „Failure is not an option“ von Gene Kranz, dem Flugdirektor und damit Leiter der Rettungsaktion.

I wonder where Guenter Wendt heißt wörtlich „Wo ist Guenter Wendt hingegangen?“ Wendt schließt, nachdem die Astronauten in ihren Sitzen festgeschnallt worden sind, die Apollo-Luke und ist somit der letzte Mensch, den die Astronauten vor der Mission außerhalb ihrer Kapsel sehen. Erfunden hat den Satz Donn Eisele kurz vor dem Start von Apollo 7. Neben dem Wortspiel (Wendt = went) liegt der Witz des Satzes darin, dass er mit deutschem Akzent gesprochen wird, denn Guenter Wendt wurde in Berlin geboren; die Astronauten nannten ihn wegen seiner Peenemünder Vergangenheit Pad-Fuehrer. In der deutschen Synchro wird daraus (weil auf Deutsch weder das Wortspiel noch der deutsche Akzent rüberkommen): „Wer Berlin nicht kennt, hat die Welt verpennt.“

Failure ist not an option heißt wörtlich „Ein Fehlschlag ist keine Option.“ Sinngemäß und treffender: Ein Fehlschlag ist nicht vorgesehen. Die deutsche Synchro lässt Gene Krantz in bestem Deutsch sagen: Ein Fehlschlag ist nicht akzeptabel!

Alle drei Sätze sind im Englischen zu geflügelten Worten geworden, gehören sozusagen zum sprachlichen Erbe des Apollo-Programms.

Aber nur zwei wurden wirklich in der Apollo-Ära gesprochen, einer (der letzte) ist eine nachträgliche Erfindung. In zeitgenössischen Texten, Ton- oder Filmaufnahmen wird man ihn nicht finden. Auch im Buch Lost Moon (1994), dem Buch, das als Vorlage für den Film diente, wird er nicht erwähnt. Entstanden ist er, als die Drehbuchautoren Al Reinart und Bill Broyles für Recherchen zum Film Jerry Bostwick in Clear Lake, einem Vorort Houstons, aufsuchten. Bostwick war Flight Dynamics Officer (FDO) und als solcher auch an der Rettungsaktion beteiligt. „Sie wollten wissen“, berichtet er, „was das denn so für Leute seien bei Mission Control.“ Auf die Frage, ob es auch Zeiten gegeben habe, wo zumindest einige Leute in Panik geraten seien, hat er geantwortet: „Nein, wenn was Schlimmes passierte, blieben wir ruhig und gingen die Optionen durch, die wir hatten, und Fehlschläge gehörten nicht dazu.“

Broyles hatte den genialen Einfall, noch in Clear Lake, daraus den Satz Ein Fehlschlag ist nicht akzeptabel! zu machen, der auf geradezu beängstigend perfekte Weise den Geist von Mission Control — nicht nur während des Rückflugs von Apollo 13 — zusammenfasst. Gene Kranz fand den Satz, den er nie gesprochen hat, so treffend für sein Leben, dass er ihn als Titel für seine Autobiografie (2000) wählte. Und mittlerweile wird er selbst von ansonsten profunden Kennern des Apollo-Programms so zitiert, als wäre er irgendwann im April 1970 gesagt worden.

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Lange Zeit schwieg die NASA zu den Kaysing’schen Thesen einer getürkten Mondlandung. Vermutlich wollte sie es einfach aussitzen, wobei auch die Arroganz einer großen und mächtigen Behörde eine Rolle gespielt haben mag. Als sie ihr Schweigen dann brach – beziehungsweise brechen wollte –, tat sie das auf sehr ungeschickte Art und Weise.

Mit der FOX-Sendung, die am 15. Februar 2001 ausgestrahlt worden war, hatte die Sache der Mondlandungszweifler enormen Auftrieb erhalten. Im Internet, das mittlerweile allgegenwärtig geworden war, machten sie mächtig Wirbel. So sehr, dass sich die NASA davon beeindrucken ließ. Dabei hatte sie keinerlei Grund, sich vorführen zu lassen: Sie gehörte zu den ersten Organisationen, die in ganz großem Stil die Möglichkeiten des Netzes nutzten. So war das erste Großereignis im Internet (1994) der Zerfall und das anschließende Eintauchen der Trümmer des Kometen Shoemaker-Levy in die Atmosphäre des Jupiter. Die weltweiten Zugriffszahlen, quasi die Einschaltquoten, waren enorm. Bis heute unterhält die NASA weltweit eine der größten (und besten) Web-Präsenzen.

Anfang 2002 beauftragte sie den Journalisten James Oberg damit, ein Buch zu verfassen, das die Argumente der Zweifler Punkt für Punkt widerlegen sollte. Aber einige Monate später zog die NASA – ohne Angabe von Gründen – diesen Auftrag wieder zurück. Was die Zweifler natürlich sofort in ihrem Sinne interpretierten: dass die NASA nämlich kalte Füße bekommen habe und es nicht darauf ankommen lassen wolle, sich zu blamieren.

Als Punkt für sich reklamierten sie auch die Reaktion von Edwin „Buzz“ Aldrin, nach Armstrong der zweite Mensch, der den Mond betrat: Als er auf offener Straße von Bart Sibrel, einem Filmemacher und überzeugten Anhänger der Mondlandungslüge, als „Feigling, Lügner und Dieb“ beschuldigt wurde, griff er, das war im September 2002, anstatt zu Argumenten – die ohnehin auf wenig fruchtbaren Boden gefallen wären – kurzerhand zur Faust und verpasste Sibrel einen Kinnhaken.

2006 musste die NASA eine weitere Peinlichkeit einräumen, die den Zweiflern Auftrieb verschaffte. Ein großer Teil der Original-Aufnahmen der Apollo-11-Mondlandemission war in der zweifellos großen Bürokratie der NASA irgendwie verloren gegangen und ließ sich nicht mehr auffinden. Als Erklärung konnte man nur anführen, dass bei Millionen von eingelagerten Filmkassetten so etwas schon einmal passieren könne.

Aber entscheidender als diese Aussetzer der NASA war der Umstand, dass sich in den „Nuller Jahren“ das Klima in den USA deutlich zu ändern begann. Das Establishment, zu dem die NASA ohne Frage gehört, verlor, wie in den 1960ern, erheblich an Glaubwürdigkeit, bis am Ende des Jahrzehnts die Entwicklung in der Finanzkrise kulminierte:

Hedgefonds, Versicherungen und vor allem Banken hatten über Jahre hinweg Geschäfte mit verbrieften (Immobilien-)Krediten abgewickelt, das sind Kredite, die zu einem neuen Wertpapier gebündelt (verbrieft) und weiterverkauft wurden, wobei in einem solchen Papier sowohl gut als auch schlecht bewertete, so genannte subprime (zweitklassige) Kredite enthalten waren. Als der Immobilienmarkt in den USA einbrach, konnten die Kreditnehmer ihre Zinsen nicht mehr bedienen: Die subprime Kredite wurden praktisch wertlos. Die aber waren in allen Papieren enthalten. Der Markt brach ein, und Hedgefonds, Versicherungen und Banken – die zuvor Milliarden mit diesen Papieren verdient hatten – standen vor der Insolvenz. Der Staat sprang ein und machte praktisch über Nacht Hunderte von Milliarden (später und weltweit Tausende von Milliarden) Dollars locker, um sie zu retten. Höhepunkt war im Herbst 2008, als zum einen der Versicherungskonzern AIG mit 150 Milliarden Dollar gestützt wurde, und zum anderen die Investment Bank Lehman Brothers zusammenbrach.

Die Finanzkrise griff bald auf die Realwirtschaft über. Millionen von Amerikanern verloren ihre Jobs, Hunderttausende ihre Häuser. Es wurde offenbar, dass große Teile der ökonomischen Elite, unterstützt und gefördert durch die Politik, über Jahre und Jahrzehnte Gewinne in Milliardenhöhe angehäuft hatten, für die Verluste aber, die jetzt anfielen, die Öffentlichkeit, das heißt der Steuerzahler, in Haftung ging. Dem Establishment wurde (wieder einmal) alles zugetraut, nur nichts Gutes … In diesem Klima gedachte man im Sommer 2009 dem 40. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung.

Und anders als zehn Jahre zuvor, spielten diesmal die Vertreter der Mondlandungslüge eine nicht unerhebliche Rolle. Kaum eine Dokumentation oder Diskussion, die sich nicht genötigt sah, auf ihre Argumente einzugehen und seien diese noch so zweifelhaft – und „vom Standpunkt des Status“, also der Faktenlage, sind sie alle zweifelhaft. Ständig musste Zeit und Energie verschwendet werden, um ihre Ansichten gerade zu rücken, die Realität des Apollo-Projekts gegen ihre Einwürfe zu verteidigen.

Und 2019, zum 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung?

Einerseits: Der Niedergang der Mondlandungsleugner begann schon, als im November 2009 die indische Weltraumagentur ISRO Bilder ihrer Mondsonde Chandrayan-1 veröffentlichte, auf denen die Landestelle von Apollo 15 in unmittelbarer Nähe der Hadley-Rille zu sehen war. Die Detailschärfe genügte gerade, um die Abstiegsstufe des LM (verschwommen) zu erkennen.

Schärfer waren Bilder, die die NASA-Sonde Lunar Reconnaisance Orbiter nach und nach von den Landestellen aller Apollo-Missionen lieferte. Aber auch das waren natürlich keine Bilder, wie man sie von simplen HandyCams in irdischer Umgebung gewohnt ist — bei einer Auflösung von etwa einem Meter pro Pixel kommen auf die Abstiegsstufe des LM insgesamt weniger als zehn Pixel: Das ist immer noch nicht wirklich viel Platz für Details, die einen Mondlandungszweifler überzeugen könnten. Aber zumindest begann es von da an, anders zu laufen: Zweifel an den Zweiflern waren gesät, zunehmend gerieten sie selbst in Erklärungsnot.

Zum anderen: Nach der Finanzkrise kam eine neue Generation an die Macht; ihr Dogma war nicht mehr der Markt, der alles regelt, sondern die Soziale Gerechtigkeit (Social Justice auf Englisch), die durchgesetzt werden muss. Wobei unter Sozialer Gerechtigkeit aber nicht das verstanden wird, was allewelt darunter versteht: nämlich für eine sozial verträgliche, eben gerechte Welt zu sorgen. Vielmehr werden ständig neue Gruppen „entdeckt“, identifiziert, konstruiert, aus dem Hut gezaubert, die in irgendeiner Weise benachteiligt sind. Und jene, die diese strukturellen, das heißt systemischen Benachteiligungen erkennen, bezeichnen sich selbst als wach, hell, erleuchtet, auf Englisch woke, woraus der Begriff Wokismus für die gesamte Bewegung abgeleitet ist.

Schon aus dieser ganz unbescheidenen Selbsteinschätzung der woken Krieger ergibt sich die Attitüde, mit der sie der Welt gegenübertreten: Sie haben Recht, immer, und daher gibt man sich auch keine Mühe, Andersmeinende zu überzeugen, sondern vernichtet, annuliert, cancelt, löscht sie aus; mit den Methoden des Lügens, Betrügens und Fälschens.

Im Sommer 2019, zum 50sten Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung, war Donald Trump im dritten Jahr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Nachdem Trump die Präsidentenwahl wider Erwarten gewonnen hatte, gehörte zum Haupttummelplatz der Profi-Lügner der Ablauf der Wahl. Denn Trump war zwar kein Mann des Volkes, als den er sich im Wahlkampf stilisiert hatte, aber auch keiner – und das nahm man übel – der woken Blase, die mittlerweile zum neuen Establishment aufgestiegen war. Und weil es einfach nicht sein konnte, dass die Wähler im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren, als sie Trump wählten, wurde drei Jahre lang eine mediale Fake-Kampagne gefahren, die – ohne einen einzigen Beweis, nicht einmal den Hauch eines Indizes zu liefern – das Blaue vom Himmel log, um dem Wahlvolk einzuhämmern, russische Hacker hätten, mit Wissen Trumps, die Wahl zu seinen Gunsten beeinflusst. Und auch, als sich nach diversen Anhörungen und Prozessen gezeigt hatten, dass die Vorwürfe haltlos waren, hörte das Lügen keineswegs auf.

In Deutschland sah es nicht anders aus. Allenthalben Kampagnen gegen Fake News von denen, die Fake News produzierten. Jede Lüge – etwa die „Hetzjagd“-Lüge von Chemnitz – wurde zur Wahrheit hochgeschrieben, wenn sie ins ideologische Korsett des Establishments passte. Jede Kritik an der Regierung, wurde von jenen, die die Fahne der Weltoffenheit vor sich hertragen, als rechts außen oder am liebsten gleich als „nazi“ diffamiert, niedergeschrien, gelöscht, gesperrt. Und die Regierung – selbst Teil des Wokismus – stellte freundlicherweise, etwa mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, selbst die Instrumente zur Verfügung.

Und so hat man das runde Jubiläum im Sommer 2019 zwar einerseits gefeiert, aber – andererseits – nicht mehr mit jener medialen Begeisterung wie noch 2009. Man feierte sozusagen auf Sparflamme und in der Nische, also ohne ganz großes Publikum. Was natürlich daran lag, dass die Woken – wie einst die Hippies – eher technophob unterwegs sind. Vielleicht auch daran, dass die Debatte durch Vertreter der Mondlandungslüge, die sehr leise geworden waren, nicht mehr angeheizt wurde.

Ganz sicher aber lag es daran, dass die Probleme der Welt seit der Finanzkrise nicht kleiner geworden sind; eher im Gegenteil: Zu den Verwerfungen der Neolibs kamen die Verheerungen der Woken noch obendrauf. Waren die Raumfahrbegeisterten innerhalb von 10 Jahren genauso bedeutungslos geworden wie die Vertreter der Mondlandungslüge?

Was lässt das für 2029, dem Sechzigsten, erwarten? Zum einen wird niemand mehr leben, der am Apollo-Projekt direkt beteiligt war. Apollo wird zur erzählten Geschichte, quasi zum Hörensagen. Zum anderen sieht es derzeit so aus, als könnte es den Woken gelingen, die Welt schneller und gründlicher an die Wand zu fahren als einst die Neolibs. Was die Apollo-Frage dann gewiss zu einer sehr nebensächlichen machen würde …

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Der Antrieb Bill Kaysings, der 2005 verstarb, war stets seine Oppositionshaltung gegenüber dem amerikanischen Establishment. Beeinflusst von den Beatniks der 1950er und der Jugendbewegung der 1960er Jahre, lehnte er den, vornehmlich großstädtisch gedachten Mainstream des american way of life rundheraus ab. Für Kaysing repräsentierte Apollo das Amerika, das es zu überwinden galt. Und damit war er (natürlich) nicht allein. Die Gegenkultur der 1960er Jahre stand der Technik im Allgemeinen kritisch bis ablehnend gegenüber. Ebenso dem Establishment. Apollo verkörperte beides und, auf den ersten Blick, nichts anderes.

Die Gegenkultur der Hippies sah, wie Kaysing, Apollo vor allem als ingenieurtechnische Unternehmung; leugnen wollte und konnte man es nicht, da man ja mittendrin lebte. Als verdächtig erschien (nicht zu Unrecht) die offensichtliche Schnittmenge zwischen Apollo und dem Militärisch-Industriellen-Komplex (den schon ein US-Präsident, nämlich Eisenhower, als Problem angesprochen hatte). In dieser Lesart bestand die NASA nur aus Technokraten, die Astronauten aus Soldaten, und das Unternehmen als Ganzes war ein Projekt des Kalten Krieges. Zweifellos traf all das zu. Aber Apollo war weitaus mehr, hatte auch eine andere, eine, wenn man so will, weiche Seite.

Erstmals offenbar wurde das bei Apollo 8. Als die Astronauten und mit ihnen die Zuschauer zu Hause vor den Fernsehern – Letztere wegen der dürftigen Aufnahmequalität der Live-Kamera allerdings nur bedingt – die quasi lebende Halberde über der so qualvoll toten Mondlandschaft aufgehen sahen, war das für viele unter ihnen, Astronauten wie Zuschauern, ein durchaus spirituelles Erlebnis. Nicht umsonst ging nach dem Ende der Mission das Bild Halberde über Mond, das William Anders parallel zur TV-Übertragung auch als hochaufgelöstes Standbild mit der damals besten Mittelformat-Kamera, der Hasselblad 500 EL, schoss, um die ganze Welt und förderte ganz wesentlich die aufkeimende ökologische Bewegung.

Während dieses Bild eine ungeplante Ausbeute der Mission darstellte, war der zweite quasi mythologisch-religiöse Aspekt, den die Astronauten den Zurückgebliebenen übermittelten, minutiös von ihnen im Vorfeld der Mission ausgetüftelt worden. Sie wollten ein Zeichen setzen – eines, das man überall auf der Welt verstand, na ja, zumindest im westlichen Teil der Welt: Auf Kartons notierten sie die ersten Sätze der Genesis, der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments, die sie dann während ihrer vorletzten Mondumkreisung am 24. Dezember mit geteilten Rollen verlasen.

Und die Crew von Apollo 13 gab ihrem Lunar Module den Namen Aquarius nach dem gleichnamigen Song aus dem ersten Akt des Musicals Hair – der in einer Liveübertragung aus der Kapsel auch gespielt wurde.

Das Musical, entstanden 1967 und zunächst am Off-Broadway aufgeführt, wurde zu einem (weiteren) Symbol für die Hippie-Bewegung; der Song gibt der Hoffnung auf ein neues Zeitalter Ausdruck, das Zeitalter des Wassermanns (Aquarius ist die lateinische und englische Bezeichnung für das Sternzeichen des Wassermanns), eine Art neues Goldenes Zeitalter, in dem Technik und Wissenschaft mit dem Mystischen eine Symbiose eingehen. Erzählt wird in Hair die Geschichte von Claude Hooper Bukowski, der sich, in einer Hippie-WG lebend, gegen seine Einberufung als Soldat für den Vietnam-Krieg auflehnt.

„Hair gibt“, so Ron Williams, ein in Deutschland stationierter US-Soldat, der in der deutschen Fassung des Musicals mitwirkte, „eine künstlerische Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Unruhe der Jugend.“

War die Namensgebung des Lunar Moduls eine bewusste Provokation des NASA-Establishments von Seiten der Crew? Oder die bloße Freude an einem einfachen Song? Bei der Live-Schaltung war von ihm jedenfalls kaum etwas zu hören. Dass die NASA dabei ihre Finger im Spiel hatte, ist nicht ganz auszuschließen, aber wahrscheinlicher ist, dass der Kassettenrekorder, obzwar ziemlich klobig, einfach zu schmalbrüstig war, um den Song adäquat über den Äther zu bringen.

Oder wollten uns die Astronauten mit der Benennung des LM gar darauf hinweisen, dass sich die Hoffnung der Hippies auf das kommende Age of Aquarius bereits erfüllt hatte – nämlich mit dem Apollo-Projekt?