25: Skies and Heavens: das Vermächtnis
In den 1960er Jahren herrschte ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen Ingenieuren (sowie ihrer Gefolgschaft) und der Gegenkultur (und ihrer Sympathisanten). Schon die Vorstellung, es könnte da eine Verbindung geben, hätte jeder als absurd angesehen. Und viel hat sich daran ja bis heute nicht geändert: Aus der Gegenkultur sind Esoteriker geworden, denen die „Vernünftigen“ gegenüberstehen – Gefühl versus Verstand, Bauch gegen Kopf. Die einen feiern Apollo als technische Großtat, leugnen dabei aber, zum Teil recht hartnäckig, jedwede mystisch-spirituelle (oder auch nur psychologische) Dimension. Für die anderen ist Apollo nichts anderes gewesen als 1. Geldverschwendung und 2. ein sinnloses Projekt des Kalten Krieges.
Was es natürlich auch war. Aber eben nicht nur. So wie der Bau der Pyramiden im Alten Reich vor 5.000 Jahren oder der Bau gotischer Kathedralen im europäischen Mittelalter – beides zweifellos ingenieurtechnische Meisterleistungen – mehr im Sinn hatten, als Steine aufeinander zu schichten – nämlich spirituelle (hier religiöse) Erfüllung zu finden –, war auch dem Apollo-Programm – das der Statik die Dynamik hinzufügte – dieses Mehr von Anfang an eingeschrieben.
Es gab in den 1960ern nicht viele, die das verstanden hätten. Vielleicht gab es überhaupt nur drei Menschen, und bei jedem von ihnen äußerte sich dieses Wissen auf ganz spezielle, individuelle Weise.
Bei Wernher von Braun, der in den USA zum christlichen Glauben gefunden hatte, durch ein Epitheton; auf seinen Grabstein ließ er die Inschrift Psalms 19:1 anbringen. Nichts sonst. Nur diese Quellenangabe., die sich auf die englische King-James-Bibel bezieht. Schlägt man dort nach, findet sich:
The heavens declare the glory of God;
and the firmament sheweth his handywork.
Moderner formuliert:
The heavens declare the glory of God;
the skies proclaim the work of his hands.
In deutscher Übersetzung:
Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes;
das Himmelsgewölbe verkündet das Werk seiner Hände.
Das Himmelsgewölbe (the skies) – das ist das, was da draußen realiter, physisch existiert: die Erde, der Mond, die Planeten des Sonnensystems samt ihrer Monde, die Sonne selbst. Um das zu beschreiben, genügt Mathematik und Physik (aus beidem ergibt sich gleichsam die Mechanik des Universums). Um nach dorthin aufzubrechen, genügt, so aufwändig es im Detail auch sein mag, Technik, logistische Finesse und sehr sehr viel Geld.
Die Himmel (the heavens) hingegen existieren nicht dort draußen. Sie sind Teil unseres Denkens über die äußere Wirklichkeit. Mit unseren fünf Sinnen nehmen wir sie nicht wahr. Vielmehr erfühlen, erspüren, erdenken wir sie (oder auch nicht). Sie sind sozusagen der spirit innerhalb der Technik. Die Apollo-Ingenieure hatten mehrheitlich, zum Besten der Astronauten, die skies im Blick. Sie berechneten die Wege innerhalb des Gewölbes, aber einige der Astronauten sahen respektive fanden auch die Wege der Himmel.
Und dass es einige gab, die das konnten, war das Verdienst des zweiten Mannes, der es verstanden hatte: Donald Kent „Deke“ Slayton. Er gehörte zu den Auserwählten der Mercury 7, als diese im April 1959 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Aber aufgrund einer leichten Herzrhythmusstörung wurde ihm der Flugstatus aberkannt. Eine Weile nahm er noch am regulären Astronautentraining teil, übernahm dabei aber immer mehr administrative Aufgaben, bis er sich schließlich als Chef des Astronautenbüros, später der Flight Crew Operations, wiederfand, zuständig für alle astronautischen Belange: vom Training über die theoretische Ausbildung bis hin zur Crew-Auswahl; er war es also, der entschied, wer bei Apollo mit welcher Mission flog.
In fast allen von ihm zusammengestellten Mond-Crews – einzige Ausnahme ist Apollo 17 und hier musste er sich der Science Community beugen – findet sich ein auffallendes Gegengewicht zu Commander und CM-Pilot, die beide eher zum Typus des hartgesottenen Testpiloten gehörten. Dieser Gegenpol findet sich ausgerechnet auf dem Platz des LM-Piloten, der ja nicht der eigentliche Pilot ist (das ist der Commander), sondern der Bord-Ingenieur, der verantwortlich zeichnet für alle technischen Einrichtungen und Abläufe im LM.
Und auf diesen Posten setzte Slayton Astronauten, deren Interessengebiete weiter gefächert waren, als man das bei Ingenieuren im Allgemeinen erwartet, nämlich bis hinein ins Künstlerische (Bean, Apollo 12), ins Literarische und Utopische (Aldrin, Apollo 11), Religiöse (Irwin und Duke, Apollo 15 und 16) oder Außersinnliche (Mitchell, Apollo 14). Selbst Harrison Schmitt, Geologe und LM-Pilot bei Apollo 17 und der einzige Wissenschaftler, der mit Apollo flog, war geradezu das Klischeebild des besessenen Wissenschaftlers, also das, was man heute einen Nerd oder Geek nennt. Die Begriffe gab es schon damals, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, Astronauten als Nerds oder Geeks zu bezeichnen. Astronauten waren Helden. Punktum.
Es gibt wenige, wenn überhaupt irgendeine andere Unternehmung, die so umfassend in Text, Ton und Bild dokumentiert ist wie das Apollo-Programm. Kaum eine Sekunde, die man nicht nachlesen, nachhören, nachbetrachten könnte. Und vielleicht findet man darin, wird man von der schieren Menge an Information nicht erschlagen, auch den „Geist Apollos“ – zwischen den Zeilen, den Worten und Bildern. Durch die Zusammenstellung der Crews sorgte Slayton dafür, dass in einigen Astronauten das Wesen Apollos direkter zutrage trat: in den Bildern Alan Beans, im Leben und Schreiben Edwin Aldrins, in den Predigten James Irwins und Charlie Dukes oder in den Überlegungen Edgar Mitchells. Dass die Auswahl der Crews zufällig erfolgte, kann man ausschließen. Durch die zahllosen auch psychologisch/psychiatrischen Tests, die die Astronauten zu absolvieren hatten, blieb der NASA und Slayton nicht verborgen, wie sie tickten. Slayton wusste, was er tat.
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Edgar „Ed“ Mitchell, Pilot des Lunar Module bei Apollo 14, wurde 1930 in der nordtexanischen Kleinstadt Hereford geboren, zog mit seinen Eltern während der großen Depression Richtung Westen, kam aber nur bis Artesia, New Mexico. Dort ließ sich die Familie Mitchell nieder. Das Gröbste (an Pubertät) hatte Ed Mitchell hinter sich, als zwar nicht „sein“ Ort, aber ein Nachbarort zu weltweiter Berühmtheit gelangte: Im Sommer 1947 stürzten (angeblich oder tatsächlich) in Roswell, keine 50 Kilometer nördlich von Artesia, Aliens in ihrem Raumschiff ab. Mitchell ließ zeit seines Lebens, verstärkt allerdings nach seiner Mondmission, keinen Zweifel daran, dass dies nicht angeblich, sondern tatsächlich geschah. Er verstand das als zweite kopernikanische Wende: Die erste hatte den Menschen gelehrt, dass nicht die Erde, sondern die Sonne im Mittelpunkt des Universums stand, diese zweite, die Roswell’sche Wende, dass die Menschen nicht die einzige Spezies des Alls darstellten.
Die Nähe Roswells während seiner Jugendjahre sensibilisierte ihn offenbar für Eindrücke, die über das unmittelbar Erfassbare hinausgehen oder hinauszugehen scheinen. Aber es gab auch den allzu weltlichen Mitchell: den Sportler (Handball, Tennis, Tauchen), den Bachelor of Science (erlangt 1952) und den Luft- und Raumfahrttechniker (Studium bis 1961, abgeschlossen mit Doktorarbeit 1964). Auch das Fliegen faszinierte ihn von frühester Jugend an. Um diesen Traum zu verwirklichen, blieb einem wie ihm, ohne familiären finanziellen Rückhalt, nur die militärische Laufbahn. Bevor er 1966 ins Astronauten-Corps der NASA aufgenommen wurde, durchlief er zahlreiche Positionen sowohl in der flugtechnischen Verwaltung als auch in der aktiven Fliegerei. Er flog nie militärische Einsätze.
Bereits während der Mission von Apollo 14 führte er, ohne Wissen der NASA, privatim Experimente zur Telepathie (Gedankenübertragung) durch. Obgleich die Ergebnisse wenig aussagefähig waren, interpretierte er sie zumindest als Teilerfolge. Auf dem Rückflug vom Mond zur Erde hatte er dann, wie er es nannte, eine Offenbarung. „Dabei spürte er“, so Andrew Smith, „für einen kurzen Moment im Universum eine Intelligenz, mit der er sich verbunden fühlte“ und „die er dann für den Rest seines Lebens zu verstehen versuchte“. Verstehen hieß für ihn, dass er sich bemühte, dieses mystische Erlebnis mit seinem Weltbild, das im Kern immer ein rational-physikalisches war, in Einklang zu bringen.
James Irwin, LM-Pilot von Apollo 15, hielt sich mit Interpretationen und Erklärungsversuchen erst gar nicht auf: Für ihn war klar, dass er, als er auf dem lunaren Apennin-Gebirge zusammen mit David Scott Steine aufsammelte – darunter auch den so genannten Genesis-Stein, dessen Alter später auf 3,91 bis 4,09 Milliarden Jahre bestimmt wurde und der sich somit nur etwa 500 Millionen Jahre nach Entstehung des Mondes gebildet hatte –, die Stimme Gottes gehört habe, die ihm sagte, er solle nach Abschluss des Apollo-Programms die NASA verlassen und sich der Kirche zuwenden. Das tat er, indem er, in den USA nicht selten, eine eigene Kirche gründete, die High Flight Foundation. Unter anderem unternahm er mehrere – erfolglose – Expeditionen in die Türkei zum Berg Ararat, um dort nach Überresten der Arche Noah zu suchen.
Auch Charles „Charlie“ Duke, LM-Pilot von Apollo 16, verschrieb sich nach seiner Apollo-Mission Gott. Er zog durch die Lande, um Sein Wort zu verkünden. Schon vor Apollo war er ein gläubiger Mensch, aber auf jene Art und Weise wie die meisten Gläubigen des Westens: Man glaubt „irgendwie“ an ein höheres Wesen, ohne das je großartig zu hinterfragen. Es ist Routine; man rennt deshalb nicht in jede Messe, man befasst sich nicht wirklich mit dem Wort Gottes. Nach Apollo wurde Charlie Duke zum Prediger, zum bibelfesten Propagandisten Gottes. Das war es, was ihm Halt gab, ihn davor bewahrte, in das tiefe Loch zu fallen, das sich allzu deutlich vor ihm auftat, denn er war sich vollständig darüber im Klaren, dass alles, was er nach Apollo tun würde, „nur noch ein langer, allmählicher Niedergang sein konnte“. Nichts, gar nichts außer Gott selbst könnte je heranreichen an die Stunden, die er auf dem Mond verbracht hatte.
Ganz anders Alan Bean: Er verarbeitete seine Mond-Erfahrung bei Apollo 12 nicht religiös, sondern ästhetisch. Bereits als junger Mann und Testpilot befasste er sich mit Malerei, nach dem Ende von Apollo 12 (November 1969) und seinem zweiten Weltraumeinsatz bei Skylab 3 (Juli bis September 1973) richtete er sich in Houston ein eigenes Atelier ein und widmete sich fortan hauptberuflich der Kunst. Zum einzigen Thema Beans wurde Apollo und der Mond. Mit immer neuen Variationen in Öl versuchte er, sich seinem persönlichen Erlebnis Mondlandung sowie dem Projekt Apollo als Ganzem anzunähern. „Ich möchte“, so Bean, „dieses große Abenteuer so festhalten, wie das niemand sonst tut.“
Den verwendeten Farben – die es auf dem Mond nicht gibt: Er ist eine Welt ganz Grau in Grau – kommt die Rolle zu, die Stimmung der Astronauten und den Geist des Projekts auszudrücken.
„Es gibt nur wenige Farben“, so Bean weiter, „die man für den Mond verwenden kann, wenn er echt aussehen soll. Man kann Rot- und Orangetöne benutzen … und Gelbtöne. Ich habe Jahre gebraucht, um das zu verstehen.“
Auffallend ist, welch geringe Rolle die Skylab-3-Mission in seiner Malerei einnimmt, obgleich er zwei Monate – damals ein Rekord – in dieser ersten amerikanischen Orbitalstation verbracht hat. Es ist fast ausschließlich sein Ausflug zum Mond, mit dem er sich künstlerisch auseinander setzt.
Edwin „Buzz“ Aldrin, LM-Pilot bei Apollo 11 und nach Neil Armstrong der zweite Mensch, der den Mond betrat, war sich bereits vor der Mission darüber im Klaren, dass sie sein künftiges Leben nachhaltig ändern würde. Schon während der Mission empfand er das als belastend. „Aber das war nichts im Vergleich zu dem“, sagte er später als 76-Jähriger, „was nach der Mission dann wirklich geschah: Du bist nicht mehr der durchschnittliche Kampfpilot, der dies und das vielleicht gar nicht so schlecht gemacht hat, sondern der, der seinen Fuß auf den Mond gesetzt hat. Dieses Image bleibt mir für den Rest meines Lebens. Egal, was ich tue.“
Kein anderer Mond-Astronaut stürzte nach der Rückkehr zur Erde so tief wie Buzz Aldrin: Der Ruhm, dem er anheimfiel, trieb ihn immer wieder in tiefe Depressionen, ließ ihn zum Alkohol greifen, warf ihn immer wieder zurück. In seinem ersten Buch, Return to Earth (1973), verarbeitete er diese ersten Jahre nach Apollo. Er schilderte darin das Astronautenleben nicht nur als Aneinanderreihung von Heldentaten, sondern auch Alltägliches, Nerviges, Profanes, mit dem man sich als Astronaut zu befassen hatte. Er brach gewissermaßen das Heldenhafte herunter auf menschliches Normalmaß, wobei auch Peinliches Erwähnung fand, etwa die astronautische Pinkelvorrichtung, bei der wegen der zu großen Öffnung stets Einiges daneben ging, weil „im Weltraum nicht nur die Beine schrumpfen“.
Erst nachdem er seine Alkoholsucht mit therapeutischer Hilfe der Anonymen Alkoholiker gegen Ende der 70er Jahre überwunden hatte, fand er zur Weltraumfahrt zurück. Er hörte auf, Apollo 11 loswerden zu wollen. Er war auf dem Mond, und er war mit der ersten historischen Mission geflogen. In einer Zeit, als die US-amerikanische bemannte Weltraumfahrt nicht mehr existierte – das Apollo-Programm einschließlich der zwei Nachfolgeprogramme (Skylab und ASTP) war beendet, das Spaceshuttle um Jahre in Verzug geraten –, entwickelte er ein Konzept, wie man auf den Mond zurückkehren kann, um dort eine ständige Basis zu errichten, was er wenig später, auf Anraten von Thomas Paine, dem ehemaligen NASA-Chef, auf den Mars ausdehnte.
Neben seinen Expertisen zur Weltraumfahrt, die er in zahlreichen Büchern zusammenfasste, trat Buzz Aldrin ab den 1980er Jahren auf (fast) allen medialen Feldern in Erscheinung: Er hatte Cameo-Auftritte (immer als er selbst) in Fernsehserien – Ein Colt für alle Fälle (Staffel 4, Episode 17, 1985), Numbers (Staffel 3, Episode 11, 2006), The Big Bang Theory (Staffel 6, Episode 5, 2012) –, in Filmen (Transformers 3, 2011) oder in Shows (Dancing with the Stars, 2010 ). Er lieh in Animationsfilmen diversen Figuren seine Stimme. Er schrieb mit John Barnes als Co-Autor zwei Science-Fiction-Romane: Begegnung mit Tiber (1996) und Die Rückkehr (2000), in denen die Weltraumfahrt eine zentrale Rolle einnimmt. Er fungierte als Berater für das Videospiel Race into Space (1992), ein Strategiespiel, das die USA und die UdSSR noch einmal den Wettlauf zum Mond antreten lässt. Gleichsam den Gipfelpunkt erreichte er, als die Pixar Animation Studios eine der Hauptfiguren in Toy Story (1995), dem ersten vollständig im Computer entstandenen Film, nach ihm benannten: Buzz Lightyear, der Astronaut, der in eine schwere Depression verfällt, als er erkennt, dass er nur ein Spielzeug und nicht der reale Weltraumheld ist, als den er sich immer gesehen hat …
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Neil Armstrong, am 5. August 1930 in Wapakoneta, Ohio, geboren, war seit frühester Jugend von der Fliegerei fasziniert, baute Modellflugzeuge, erwarb im Alter von 17 Jahren den Pilotenschein, 1947 erhielt er ein Stipendium der US Navy und begann das Studium zum Flugingenieur. Nach drei Semestern wurde er zum Militärdienst eingezogen und nach Korea abkommandiert, wo er 78 Kampfeinsätze absolvierte, von denen er später sagte, „ich müßte lügen, wenn ich behaupten wollte, sie hätten mich viel weitergebracht“.
Er verließ daraufhin die Navy, beendete das Studium und bewarb sich bei der NACA, wo er bis 1962 als Techniker und Testpilot arbeitete. In dieser Zeit hat er praktisch alles geflogen, was es damals an schnellen Maschinen gab: die F-100, das (neben der sowjetischen MIG-19) erste Überschall-Kampfflugzeug, die B-47, ein sechsmotoriger Atombombenträger für große Höhen, sowie mehrere Überschalljäger der X-Reihe, darunter auch die legendäre X-15, mit der er zu seiner Zeit mehrere Rekorde flog (größte Höhe 63 km, höchste Geschwindigkeit Mach 6). Nachdem aus der NACA die NASA geworden war, setzte er diese Arbeit als ziviler Test- und Wissenschaftspilot zunächst fort, bis er dann 1962 ins Astronauten-Corps aufgenommen wurde.
Dem Ruhm, der auch über ihn nach Apollo 11 hereinbrach, begegnete er mit (unnahbarer) Gelassenheit. Er weigerte sich stets, über seine Gefühle während der Mission zu sprechen, stieß die wenigen Journalisten, die er anfangs an sich heranließ, vor den Kopf, indem er darauf beharrte, die Apollo-Flüge, auch seinen eigenen, vor allem aus technischem Blickwinkel zu betrachten. Über die Technik Apollos konnte er stundenlang referieren; zu weitergehenden Aspekten des Mondprogramms schwieg er sich nach seiner Rückkehr vom Mond hartnäckig aus. Offenbar war er der Meinung, mit dem geschichtsträchtigen Satz, den er beim Betreten der Mondoberfläche gesprochen hatte – „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit.“ –, alles dazu gesagt zu haben.
Und so war es natürlich auch.
Armstrong ist der dritte Mensch, der es verstanden hat.
Bis heute schwirrt die Vermutung herum, ein Mann wie Armstrong, der zum einen das Klischee des Astronauten als Technokrat erfüllte wie kaum ein anderer, und der zum zweiten bis dahin – bis zu jenem Satz – nie als großer Rhetoriker, sondern eher als großer Schweiger aufgefallen war, könne unmöglich einen solchen Jahrhundertsatz spontan beim Ausstieg aus der Mondfähre kreiert haben.
Spontan wohl nicht. Armstrong wusste seit etwa Dezember 1968, dass er mit Apollo 11 fliegen und dass diese Mission mit großer Wahrscheinlichkeit die erste Mondlandung unternehmen würde. Und er lebte nicht auf einer einsamen Insel, sondern in Houston, umgeben von Weltraum-Freaks und -Enthusiasten. Da wurde viel diskutiert und auch getratscht. Und dass die Raumfahrt einen neuen Aufbruch für die Menschheit darstellte – das war dort so etwas wie Gemeingut.
Von Braun sprach so, Gilruth ebenso. Lyndon B. Johnson sprach so, NASA-Ingenieure sprachen so, so hatte Kennedy gesprochen, und so hatten schon Goddard, Oberth, Ziolkowski bis hin zu Ganswindt gesprochen. Armstrongs Geniestreich lag darin, dass es ihm gelang, beides in einem einzigen Satz zu verbinden: den technokratischen Aspekt – den Schritt eines einzelnen Menschen hinaus ins Himmelsgewölbe, den nur Technik und Logistik ermöglichen – und das Mystisch-Spirituelle, das dem gesamten Programm innewohnte – den großen Sprung der Menschheit in eine neue Zeit.